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send gewordenen historischen Leistungen des Reichsfreiherrn vom Stein, der ja die entscheidenden
Anstöße für eine Gemeindereform zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab.
Zum Schluß dieser feierlichen Amtseinführung erklang nochmals das Streichquartett
des Streichorchesters Schopfheim mit dem opus 125 Nr. 1 adagio von Franz Schubert.
Wie wenig man in der damaligen Zeit die Bestimmung der badischen Gemeindeordnung
vom 25. 3. 1947, wonach die Gemeinderatssitzungen öffentlich sind, ernst nahm,
geht aus der Tatsache hervor, daß in den Jahren 49 und 50 nur je drei öffentliche Gemeinderatssitzungen
durchgeführt wurden. Offensichtlich waren der Bürgermeister und der
Gemeinderat der Auffassung, man könne nicht wegen jedes Routinepunktes die Öffentlichkeit
von Sitzungen herstellen. Das führte immer wieder zu Anfragen in der Presse
und zu Anträgen der Gemeinderatsfraktionen. Vor allem die SPD-Fraktion legte Wert
auf Öffentlichkeit der Sitzungen, konnte sich aber nicht immer durchsetzen.
Haupttagesordnungspunkte der öffentlichen Sitzungen waren in erster Linie der
Haushaltsplan und der Rechenschaftsbericht. Vergleicht man dagegen die Tagesordnungspunkte
der nichtöffentlichen Sitzungen, so finden wir sehr viele Themen, die sicher
auch öffentlich hätten behandelt werden müssen. Ich möchte wahllos aus einer
nichtöffentlichen Tagesordnung vom 12. Jan. 1949 folgende Punkte aufzeigen: Wiederaufbau
der Villa Krafft, Ankauf eines Ziegenbockes, Dirigentenstelle der Stadtmusik
Schopfheim, Pflugsaal-Gesangvereinszimmer, die Gestaltung der Pflugsaalbühne,
Holzverkauf aus Gemeindewaldungen, Raumnot der Volksschulen, Errichtung eines
Nachtwachtdienstes im Rathaus, Lichtspielbesuch durch Jugendliche.
In der Regel waren auf der Tagesordnung der nichtöffentlichen Sitzung zwischen 1
und 20 Punkte, von denen die meisten auch öffentlich hätten behandelt werden müssen.
Aber wo kein Kläger war, war auch kein Richter. Es hat sich, außer, wie bereits gesagt,
gelegentlichen Verstößen, niemand darüber aufgehalten. Allerdings gehört es zum Wesen
der Demokratie, daß die Öffentlichkeit informiert wird. Auch das Argument, man
kann doch nicht wegen zwei oder drei Besuchern eine öffentliche Sitzung anberaumen,
ist sicher nicht stichhaltig. Bereits die Tatsache, daß die Presse an den öffentlichen Sitzungen
teilnimmt, ist Öffentlichkeit genug, denn sie berichtet ja und informiert damit
den Bürger über das Geschehen in einer Gemeinde.
Eine besonders wichtige öffentliche Gemeinderatssitzung war am 15. Mai 1951. Einziger
Tagesordnungspunkt war der Bau eines Schwimmbades. Bürgermeister Dr. Vetter
konnte 41 Zuhörer begrüßen. Diese hohe Zahl von interessierten Bürgern beweise, daß
dieser Tagesordnungspunkt eine besondere Bedeutung habe. Dr. Vetter ging in seinen
einführenden Worten auf die Schwimmbadgeschichte der Stadt Schopfheim ein.
Über das Pro und Contra des Baus eines neuen Schwimmbades gab es eine recht lebhafte
Diskussion im Gemeinderat. Während Stadtrat Rektor Knöbel gegen den Bau eines
Schwimmbades war, weil er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, Gelder
für einen Schwimmbadbau auszugeben, während auf der anderen Seite eine katastrophale
Wohnungsnot in der Stadt Schopfheim sei, sprachen sich andere Stadträte für den
Bau aus. Am Ende einer sehr sachlichen Debatte wurde gegen die Stimme von Stadtrat
Knöbel und bei Enthaltung von Stadtrat Steinebrunner der Bau eines neuen Schwimmbades
im Oberfeld beschlossen.
Am 9. März 1952 wählten die stimmberechtigten Bürger Baden-Württembergs eine
verfassungsgebende Landesversammlung. Diese hatte die Aufgabe, eine Verfassung zu
beraten und zu beschließen. Am 25. April 1952 wurde Reinhold Maier zum Ministerpräsidenten
gewählt. Diese verfassungsgebende Versammlung wurde dann auch zum Landtag
und legte die ersten Gemeinderatswahlen im neuen Bundesland Baden-Württemberg
auf den 15. 11. 1953 fest. Danach waren in Schopfheim 12 Gemeinderäte zu wählen. Neu
an dem Wahlsystem war die Tatsache, daß die Wähler kumulieren und Panaschieren
konnten, d. h. sie konnten einem Bewerber bis zu 3 Stimmen geben und andere Bewerber
auf der Liste verändern. Außerdem führte man das rollierende System ein, das heißt,
daß die Gemeinderäte nach jeder Wahlperiode nur zur Hälfte ausscheiden. Die mit den
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