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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 113
(PDF, 39 MB)
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ablesen, was auch ihm bevorstand, wenn er in seinem Gebiet die Reformation durchführen
wollte: Gewaltsame Einverleibung des Gebiets und gewaltsame Rekatholisierung.

Erst als im Augsburger Religionsfrieden vom Jahre 1555 endlich auch eine juristische,
reichsrechtliche Anerkennung der Reichsangehörigen lutherischen Glaubens oder
Augsburger Konfession vorlag, konnte es sein Nachfolger Karl IL wagen, nicht ohne
Drängen seines in Pforzheim recht nahen württembergischen Vetters und Kollegen Herzog
Christoph, die Reformation auch in der Markgrafschaft einzuführen. Württemberg
war dabei durch die Entsendung des Theologen Jakob Andrea (Superintendent in Göppingen
) hilfreich, der die württembergische Kirchenordnung für die Markgrafschaft
ziemlich wörtlich abschrieb. Innert weniger Monate war sie durch den erwähnten An-
dreä, zwei thüringische Theologen Max Mörlin von Koburg, Johann Stössel von Heldburg
, Michael Diller von Heidelberg sowie die weltlichen Mitglieder, den Rat Johann
Sechel, den Leibarzt Georg Renz und den Kanzler Martin Achtsynit überarbeitet worden
, so daß sie am 1. Juni 1556 öffentlich verkündet werden konnte. Dieser 1. Juni 1556
ist also der eigentliche Gedenktag der Markgräfler Reformation. Daß der verstorbene
Markgraf Ernst mit seinem Zögern zu seinen Lebzeiten recht hatte, zeigte sich an den
weitergehenden Querelen mit Österreich, das das Reformationsrecht des Markgrafen
bestritt und lange über die Abteien St. Blasien und den Bischof von Konstanz (»Prälatenstreit
«) Schwierigkeiten machte, die letztendlich erst durch die Kaiserin Maria Theresia
zwei Jahrhunderte nach der Reformationszeit beendigt wurden.

Markgraf Ernst zeichnete aber nicht nur ein zu Recht vorsichtiges Taktieren gegenüber
dem mächtigen und allgegenwärtigen Österreicher aus, sondern auch als Reichsfürst
, der auf jedem Reichstag zu erscheinen hatte und von jedem Reichstag einen weiteren
Schritt in Richtung auf Reformationsfreiheit erwartete, ein ausgeprägtes rechtliches
Denken. Mit Luther und den Seinen hoffte auch er in den Jahrzehnten der Zwanziger,
Dreißiger und Vierziger und sogar noch der Fünfziger Jahre entweder auf die generelle
Regelung der Reformationsfrage auf einem allgemeinen, vom Papst einzuberufenden
Konzil, und wenn dieses schon nicht zustandekäme, auf eine bessere Regelung durch die
Reichstage. Da stattdessen die kriegerische Lösung kam, mit der Niederlage der im
Schmalkaldischen Bund zusammengefaßten Evangelischen Stände in der Schlacht bei
Mühlburg an der Elbe 1546 und mit dem Triumph Karls V. und dem »Interim«, das reformatorische
Errungenschaften wieder rückgängig machte auch in bereits reformierten
Gebieten, war es erst im 1552 folgenden für die evangelische Seite günstigeren Passauer
Vertrag soweit, daß Markgraf Ernst, dessen Gebiet von den übrigen Evangelischen und
Schmalkaldnern am weitesten entfernt lag, daran denken konnte, auch in seiner Markgrafschaft
die Reformation einzuführen. Da jedoch traf Markgraf Ernst der Schlag, so
daß er gelähmt bis zu seinem Ableben 1553 die Regierungsgewalt in andere Hände geben
mußte.

Sein Sohn Karl, der nicht nur »der Fromme« im Hinblick auf seine tatsächliche Reformation
genannt wird, sondern auch »der Rote« im Hinblick auf seinen Bart, wie auch
»Karl mit der Tasche«, weil er seine Handwerker (bei seinen Durlacher Bauten, vor allem
der Carlsburg!) persönlich auszuzahlen pflegte, dieser Karl war schon eher eine Zauderernatur
, konnte aber, wie gesagt, durch Herzog Christoph von Württemberg dazu bestimmt
werden. Denn ihm mußte ein gleichgesinnter Nachbar im Westen ebenso wichtig
sein, wie es ihm seine evangelischen östlichen Nachbarn waren. So kam es, daß die badische
Markgrafschaft Durlach als letzte Herrschaft des Deutschen Reiches zur Reformation
übertrat.

Inzwischen waren die theologischen Dinge jedoch auch unter den reformatorisch Gesinnten
weiterentwickelt als in der ersten Phase. Lutheraner und Zwinglianer, dazu Cal-
vinisten waren mehr als je unter sich zerstritten. Ihre verschiedenen Abendmahlslehren
hatten sich verfestigt, und so hätten wir jetzt noch einen ebenso langen Teil vorzutragen
über diese Weiterentwicklungen nach 1556, wovon ich jedoch Abstand nehmen möchte.
Einzig die Einsetzung des Basler Antistes (Kirchenvorstehers) Simon Sulzer als »Bi-

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