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mieren) der Obrigkeit verbietet Luther sogar seinen Anhängern die »Untergrundpropaganda
«: »Kein Prediger, wie fromm und rechtschaffen er sei, soll in eines Papisten
oder ketzerischen Pfarrers Volk zu predigen oder heimlich zu lehren sich unterstehen
ohn desselbigen Pfarrers Wissen und Willen. Denn es ist ihm nicht befohlen. Was aber
nicht befohlen ist, das soll man lassen anstehen« (WA 31 I, 211).
Luther ging sogar soweit, den auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 versammelten
evangelischen Fürsten zu raten, sich dem Predigtverbot des Kaisers zu fügen: »Denn
Augsburg ist des Kaisers Stadt wie Torgau die des Kurfürsten« (WA Briefe Bd. 5, 319).
Man sieht, Luther führt das Territorialprinzip durch, auch gegen die eigene sich bildende
Konfession. Er wendet es umgekehrt auch an gegen den Versuch der heimlichen religiösen
Unterwanderung: »Wer bei Bürgern sich nähren will, der soll das Stadtrecht halten
und dasselb nicht schänden und schmähen oder soll sich trollen« (WA 30 I, 208 - Auslegung
des 82. Psalms-1530).
Andererseits wurden gerade die Reichsstädte Vorboten künftiger Toleranz. Auch
Augsburg selber wurde eine gemischte Reichsstadt, wie auch Regensburg oder Biberach
in Oberschwaben. Das Nebeneinander der beiden Konfessionen wurde genau vertraglich
geregelt. Kirchen, Schulen, Ratssitze, Ämter wurden nach dem »Konfessionsproporz
« aufgeteilt, wie man heute sagen würde. Neben diesen »gemischten« Reichsstädten
gab es rein katholische wie etwa Schwäbisch Gmünd und rein evangelische wie Ulm und
Heilbronn.
Der Religionsfriede von Augsburg (1555) besiegelte das Territorialprinzip. Nicht der
Einzelne, sondern die Obrigkeit hatte zu entscheiden, welche Religion im Lande oder
der Stadt Geltung haben sollte. Man umschreibt diese Rechtslage mit dem Wort: »Cujus
regio, ejus religio«. Aber die deutsche Reformation hat diesen Grundsatz nicht geschaffen
. Er ist vorreformatorisch. Angesichts der kirchlichen Wirren des Spätmittelalters,
wo sehr oft 2, manchmal sogar 3 Gegenpäpste sich und ihre Anhänger bekämpften, nahmen
die Fürsten für sich das Recht in Anspruch, für die kirchliche Ordnung zu sorgen.
Als Rechtfertigung galt der Spruch: »Dux Cliviae est papa in territono suo«. Der Herzog
von Kleve ist Papst in seinem Gebiet. Luther hat das sogen, landesherrliche Kirchenregiment
nicht geschaffen, er fand es bereits vor. Es war der gegebene Rahmen für das neue
Kirchentum.
Der Augsburger Religionsfriede anerkannte nur die katholische und die neue »lutherische
« Konfession. Nun gab es eine calvinistische Welle in Deutschland. Die Pfalz trat
1563 zur calvinistischen Form des Protestantismus über, viele Gemeinden am Niederrhein
nahmen die Glaubensform ihrer niederländischen Nachbarn an, auch Sigismund
von Brandenburg trat 1613 zum Calvinismus über. Beim Friedensschluß von Münster
und Osnabrück erlangten auch die Reformierten als dritte Konfession ihre reichsrechtliche
Anerkennung.
Die Taufgesinnten erlangten sie de jure nicht, wohl aber de facto. Karl Ludwig von der
Pfalz gestattete den Mennoniten und schweizerischen Baptisten die Anerkennung als
landesherrliches Privileg. Brandenburg-Preußen kam nach und gestattete vor allem in
der Weichselniederung zahlreichen mennonitischen Bauern die Ansiedelung. Da vor allem
in der Pfalz die Landbevölkerung durch den Krieg dezimiert worden war, waren
Ansiedler willkommen, zumal ihnen der Ruf vorausging, daß sie stille Untertanen und
fleißige Landwirte waren. Da es noch keine allgemeine Wehrpflicht gab, war die Kriegsdienstverweigerung
der Mennoniten nicht akut.
Luther mußte sich auch mit der Türkengefahr auseinandersetzen. Die Türken waren
für ihn ein politisch-militärisches Problem, kein religiöses. Die Türken führten ihre
Kriege als Glaubenskriege, Luther folgte ihnen auf diese Ebene nicht. Jeder Kreuzzugsgedanke
lag ihm fern. Die Türkenkriege waren für ihn reine Verteidigungskriege. Er hat
ihre Notwendigkeit bejaht und Einwände der Taufgesinnten abgelehnt, auch wenn sie in
frommem Gewände einhergingen. So etwa, wenn unter Berufung auf die Bergpredigt
(Du sollst nicht widerstehen dem Übel, Matth. 5, 39) jede Gegenwehr gegen die türki-
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