http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0144
Auf markgräflichen Befehl eilten am 27. 1. 1798 der Geheime Rat Maximilian Reinhart
und der Kammerkonsulent Roth nach Lörrach. Ihre Hauptaufgabe war, zu untersuchen
,
»wer niedrige Staatsgesinnungen hege oder verbreite, wer geheime, verdächtige
Verbindungen unterhalte und wer sich pflichtwidrige, staatsgefährliche Handlungen
zuschulden kommen lasse«.
Die Kommission hatte zudem die Aufgabe, Bitt- und Beschwerdebriefe der Bevölkerung
anzunehmen und bei ordnungswidriger Verwaltung dies sofort abzustellen bzw.
eine Revision für bald in Aussicht zu stellen.
Mit ihr kam eine Kompanie Infanterie und eine Schwadron Dragoner nach Lörrach,
die hier und in den umliegenden Orten einquartiert wurden. Dadurch wurden natürlich
unsichere Kantonisten eingeschüchtert, denn das Militär machte kein Hehl daraus, daß
die Übeltäter erstmals 50 Stockhiebe erhalten und dann die Ortschaft in Brand gesteckt
werde.
So war es kein Wunder, daß Reinhard sehr positive Berichte nach Karlsruhe sandte.
Reinhard berichtete:
»Namentlich in der breiten Masse des Volkes war doch mehr Anhänglichkeit und
Treue gegen den Landesherrn vorhanden, als er nach dem Vorgefallenen vermutet
hatte, den meisten war es mehr um eine Erleichterung ihrer Notlage, als um
eine schwäbische Republik zu tun.«
Reinhard verzichtete darum auch auf Untersuchung der Verdächtigen, da ihnen zumeist
das »Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit« gefehlt habe. Zu diesen Verdächtigen gehörten
neben den schon Genannten die Vögte Gräßlin von Efringen, Steinauer von
Brombach, Koch von Welmlingen und der Posthalter Reinau von der Kalten Herberge.
Sie wurden lediglich überwacht.
Bestraft wurde nur der Lörracher Skribent Kummer, der mehrere Bürger zur Teilnahme
an einer gewaltsamen Regierungsveränderung zu überreden versuchte - allerdings in
betrunkenem Zustande -!
Reinhard ging auch den wirtschaftlichen Verhältnissen im Lörracher Oberamt nach
und merkte dabei deutlich, warum es im Oberland gärte, warum das Volk murrte. Reinhard
stellte fest, daß der Vermögens- und Nahrungszustand der Einwohner weit schlimmer
bestellt war, als man vermutet hatte. Die dauernden Einquartierungen, die französischen
Kriegskontributionen, die österreichischen Requisitionen, die Plünderungen und
die laufenden Frohnden hatten die Finanzkraft erschöpft. Dazu kamen andere Umstände
wie die fast völlige Zerstörung der Rebberge durch die Truppen, eine Verringerung
des Viehbestandes durch eine aus Ungarn vom Militär eingeschleppte Seuche und die
Unmöglichkeit, das Heu in der Schweiz zu verkaufen, weil diese wegen der Seuche ein
Einfuhrverbot erlassen hatte. Die Einwohner des Oberamtes hatten 400.000 Gulden an
Schulden dem Staat und anderen feudalen Stellen gegenüber!
Reinhard schlug angesichts dieser Situation vor, den Bewohnern des Lörracher Amtes
die Kriegssteuer um die Hälfte zu senken und ihnen umgehend das Geld auszubezahlen,
was der Staat ihnen schuldete, nämlich runde 45.000 Gulden für Fuhrfrohnden und für
Heu- und Haferlieferungen an die kaiserlichen Truppen.
Reinhard berichtete auch über die Mängel in der Verwaltung. Sie zeigten deutlich den
Wunsch, die alten Landesstände wiederzubeleben, um so wenigstens etwas an der Verwaltung
und Regierung auch unten teilzuhaben. Die Beschwerden richteten sich weiter
über Abgaben wie den Kelterwein, das Tauf- und Todgeld, das Taubenfluggeld und gegen
ein paar kleine Zehntabgaben, die als Überbleibsel der alten Leibeigenschaft angesehen
wurden.
Bevor der Geheime Rat in Karlsruhe eine Entscheidung fällte, wurde der Röttier
Landvogt von Reitzenstein um ein Gutachten gebeten. Es ist wohl eines der besten und
schönsten Zeugnisse, die man den Bewohnern Lörrachs und seiner Umgebung ausstellen
kann.
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