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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 157
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0159
Das französische Königshaus galt im hohen und späten Mittelalter als heilig, die gesalbten
Könige, Nachfahren Ludwigs des Heiligen, galten als fähig, durch Handauflegen
Wunderheilungen zu tun. Es waren die Sprache, Kultur und die Anschauungen des Königshauses
und des Hofes, die die Norm für die französische Gesellschaft und mithin für
das ganze Volk gaben. All das wurde zum Instrument französischer Herrschaft, um diesen
Mittelpunkt von König, Hof, Gesellschaft, Sprache und Kultur ließen sich verhältnismäßig
bequem und nur selten von innen bestritten der französische Zentralismus, der
Absolutismus und der absolute Anspruch der Hochsprache auf den Primat im Herrschaftsbereich
der Krone durchsetzen. Erbe dieses königlichen Absolutismus ist heute
»La France« schlechthin, Paris und seine Gesellschaft im besonderen.

Mit dieser Entwicklung untrennbar verbunden ist die Tatsache, daß das französische
Königtum eine Erbmonarchie war. Noch heute kann die französische Geschichte anhand
einer genealogischen Tafel dargestellt werden (man findet sie allenthalben in Buchhandlungen
und Papeterien), die eine zusammenhängende Erbfolge von den Merowin-
gern über Karolinger, Capetinger, Valois bis zu den Bourbonen zeigt. Nur das Haus
Napoleon Bonapartes findet hier keinen Platz. Das ist unter offenbar starkem römischrechtlichem
und vor allem kirchlichem Einfluß: Darstellung historischer »Legitimität«.

Man begreift leicht den Unterschied zu den deutschen Verhältnissen. Die deutsche
Auffassung von königlicher Legitimität hat sich im frühen und hohen Mittelalter auf
Wahlen gegründet, wie es offenbar aus der Zeit der Völkerwanderung als germanischer
Brauch überliefert war. Daneben haben sich unzählige kleine und große Adelsfamilien
mehr oder weniger unabhängig entwickeln können. Deren Bemühungen um die Bildung
größerer Territorien - auch der Familien, die zu königlicher Würde gelangten - war
durch den weltlichen Charakter geistlicher Territorien und durch die Bildung reichsstädtischer
Landschaften schon seit der Hohenstauferzeit beschränkt, ja blockiert. Damals
aber hatte Philipp II. Auguste, der Großvater Ludwigs d. Heiligen, den Grund für den
französischen Einheitsstaat schon gelegt. Dagegen begann das Haus Habsburg erst um
1440 mit Friedrich III., der erbärmlichsten Figur in der Reihe der deutschen Könige und
Kaiser, die monarchische Spitze des Reiches erblich einzunehmen. Dieser frühen, von
der französischen ganz verschiedenen Grundeinstellung zur Natur des Königtums entsprechend
, konnten sich im deutschen Sprachraum des römischen Reiches deutscher
Nation neben der lateinischen Amts- und Kirchensprache und neben den Hochsprachen
des Alt- und Mittelhochdeutschen auch regionale, an Herrschaftsterritorien gebundene
Dialekte ausbilden, zumal sie auch in den Hauptstädten und von den Dynasten gesprochen
wurden, womit wenigstens regional ihr Ansehen gesichert war.
Diese andersartige Entwicklung und das späte Eintreten des Deutschen Reiches ins Zeitalter
des Nationalismus und Imperalismus erst im 19. Jahrhundert hat im großen und
ganzen verhindert, daß das eingangs geschilderte Dominations-ZSubordinationspro-
blem gegenüber Minderheitssprachen, dem im privaten Bereich das Domestikationspro-
blem6; auf dem Fuße folgt, bei uns eine größere Rolle gespielt hat, abgesehen von der Lage
der polnischsprachigen Minderheit in Preußen und den Dänen in Schleswig. Wo heute
noch die Forderung nach einer deutschen Einheitssprache (auf Kosten regionaler Dialekte
) erhoben wird, stammt sie erkennbar aus den noch überlieferten Vorstellungen des
ehemals preußisch-deutschen Ostens. Für unser alemannisches Gebiet aber kann gerade
dies keine an staatliche Grenzen gebundene Norm sein, ganz im Gegenteil.

Ganz anders und mit vielen schlimmen Folgen hat sich dieses Sprachproblem in manchen
anderen europäischen Nationalstaaten (schon das Wort drückt es aus!) im Laufe des
19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts geäußert. Das unmenschlichste Beispiel war die
Ausbürgerung einer ganzen Bevölkerung, der Südtiroler, vor dem 2. Weltkrieg, aufgrund
einer Vereinbarung zwischen 2 Leuten, Hitler und Mussolini, mit der die Zustimmung
Italiens zum Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich erkauft wurde. Diejenigen
Südtiroler, die ihre Heimat nicht verlassen wollten, wurden damit zu Italienern nicht
nur der Staatsangehörigkeit nach, sondern mit allen sprachlichen und kulturellen Folge-

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