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Markgrafen von Baden »hielten sich streng nach den Reichsgesetzen«, diese aber ließen »bis zum
Jahre 1555 (Augsburger Religionsfriede) eine Einführung der Reformation in Gegenden, wo sie
noch nicht war (?!) nicht zu ... So konnte also der reformierte Rath in Basel bis 1555 keinen reformierten
Prediger nach Lörrach senden...«. Ergänzend dazu Karl Friedrich Vierordt (»Geschichte
der Reformation im Großherzogthum Baden«, Karlsruhe 1847): »in dem südwestlichen Landes-
theile ... finden wir in dem Markgrafen Ernst von Baden, welchem damals Hochberg nebst den
Herrschaften Badenweiler, Sausenberg und Röteln gehörte, einen Fürsten, der die kirchlichen Erscheinungen
seiner Zeit viel gemäßigter als sein geistlicher Bruder (Rudolf), und mehr in dem Sinne
seines weltlichen Bruders Philipp behandelte, die Reformationsfreunde aber ebenso wenig begünstigte
als verfolgte.«
Nach Abschluß des Augsburger Religionsfrieden sandte Basel Huldrich Koch, einen gebürtigen
Freiburger, der sich »in dankbarem Andenken an seinen wohlthätigen und treuen Stiefvater Koch-
Essig nannte« und Theologieprofessor an der Basler Universität geworden war, nach Lörrach. Am
21. Januaer 1556 hielt Koch-Essig seine erste Lörracher Predigt. Später versah er die benachbarte
Gemeinde Binzen und kehrte schließlich nach Basel zurück.
Doch der 1465 in Lörrach"" gebürtige Franz Kolb hatte Koch-Essig längst Vorarbeit geleistet. Als
ehemaliger Berner Kartäusermönch hat er auf seinen Reisen, die ihn vor allem nach Nürnberg und
Wertheim geführt hatten, »wohl seinen Geburtsort Lörrach ... berührt, und geholfen, das vorzubereiten
, was am 21. Januar 1556 (300 Jahre vor dem Erscheinen unserer Schrift) daselbst geschah«.
Es würde hier zu weit führen, wollten wir das komplizierte Hin und Her der Reformationsbefürwortung
und -ablehnung detaillieren. (Ein klassisches Beispiel bietet in diesem Zusammenhang das
Schicksal Sulzburgs, und zwar mit der zeitweiligen Anwesenheit des Markgrafen Ernst). Entscheidend
für die offizielle Einführung der Reformation waren die Ereignisse in Heidelberg: bereits am
20. Dezember 1545 hauen sich die Besucher der dortigen Heiliggeistkirche dem römisch-katholischen
Gottesdienst widersetzt, und der Kurfürst Friedrich II. gestattete am Weihnachtsfest desselben
Jahres, »das heilige Abendmahl nach evangelischer Weise« zu feiern, wozu er die damalige
Schloßkapelle zur Verfügung stellte. »Der Kurfürst selbst hatte noch nicht den Muth, sich selbst dabei
zu betheiligen. Aber am ersten Sonntag des Jahres 1546, den 3 Janaur, wurde auch in der Kirche
zum heiligen Geist ... das Abendmahl zum ersten Male nach evangelischem Brauche gefeiert.«
Holtzmann berichtet im folgenden von den Jahren 1546 bis 1556, die in religiös-konfessioneller
Hinsicht »in manchfacher Schwankung« verliefen. U. a. hatte der Feldhauptmann Schärtlin von
Burtenbach dahinaus eingegriffen, als er den Kurfürsten zu einer Versammlung der evangelischen
Reichsstände nach Frankfurt eingeladen hatte. Friedrich II. reiste zwar nach dort, konnte sich jedoch
nicht entschließen, dem verabredeten evangelischen Bündnis beizutreten. Dazu aus den »Leben
und Taten des weiland wohledeln Ritters Sebastian Schertlin von Burtenbach« (neu herausgegeben
von Engelbert Hegaur, München o. J., ca. 1914): »Bei dem Hinabreuten, als ich zu Pfalzgraf
Herzog Friedrich, Kurfürst bei Rhein, nach Heidelberg kommen, von dem ich ganz gnädigst empfangen
und getraktieret worden bin, hab ich ihm auf Befehl der geheimen Rät der Stadt Augsburg
des heiligen Reichs Beschwerden und gefährliches Obliegen angezeigt samt wunderbarlichen Praktiken
vom Papst, Kaiser und Pfaffenschwarm und hab ihn dahin sondiert und beredt, daß er sich begeben
hat, das heilsam Evangelium zu bekennen und sich mit den evangelischen Ständen in Ver-
wandtnis einzulassen____«
»Am 23. Februar 1556 versammelte er (der alte Kurfürst Friedrich II.) um sein Sterbebett in Alzei
vierzig Personen seines Hofes, und nahm mit ihnen und seiner Gemahlin (eine dänische Prinzessin
und Nichte Kaiser Karls V.) das hl. Abendmahl nach evangelischer Weise unter beiderlei Gestalt.
Am 26. Februar starb er; in der Heiliggeistkirche zu Heidelberg hegt er begraben, kein Held der Reformation
, vielmehr ein schwankendes Rohr, aber doch in der Tiefe seines Herzens mit seinem Volke
Eins in der Sehnsucht nach evangelischer Wahrheit und gereinigtem Gottesdienst.«
Sein Neffe Otto Heinrich »hatte schon um des Evangeliums willen gelitten. Er hatte sein Fürstenthum
Neuburg, in dem er die Reformation eingeführt, deswegen aufgeben müssen; war sechs Jahre
lang vertrieben gewesen...«. Otto Heinrich setzte eigens eine Kommission ein, die dafür Sorge zu
tragen hatte, die Reformation in Heidelberg und in den von ihm regierten Ländern einzusetzen. Sie
bestand aus Heinrich Stoll, dem ehemaligen Pfarrer der Heiliggeistkirche, jetzt Theologieprofessor,
aus dem Hofprediger Michael Diller und aus Johann Marbach, dem herbeigerufenen Prediger vom
Straßburger Münster. Am 4. April 1556 wurde die von ihnen entworfene neue Kirchenordnung
verkündet, und bereits am 16. April »wurde in der Heiliggeistkriche wieder Gottesdienst ganz und
allein in deutscher Sprache und ganz nach evangelischer Weise gehalten...«.
Der 3. Abschnitt unserer Schrift behandelt den 2. Mai 1556 in Stuttgart, der 4. Abschnitt den 1.
Juni 1556 in Pforzheim: »Um eine besonnene Ordnung in die Einführung der Reformation zu bringen
, sah sich der Markgraf (Karl II.) nach frommen ausländischen Theologen um, welche ihm in
diesem Werke helfen sollten. Für die obere Markgrafschaft heftete sich sein Augenmerk ganz natürlich
auf die reformierte Stadt Basel. Der damalige Vorstand der Basler Prediger war der gelehrte und
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