http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0039
Teill
Der Fall Leonhard Friedrich Roggenburger
a) öffentliches Auftreten
Am 6. Mai des Jahres 1849 fand in Buggingen, wie in vielen anderen Orten Badens, eine
Volksversammlung statt, bei der nach Meinung der Augenzeugen ungefähr 5000
Menschen zugegen waren.
In seiner Verteidigungsschrift schreibt Roggenburger darüber: »Die Volksversammlung
in Buggingen war laut Akten von dem Kreisausschuße der Volksvereine angeordnet
, wohl darum, weil Buggingen in der Nähe von Müllheim einen großen Platz besitzt
(den Lindenplatz am Westausgang des Dorfes), auf welchem sich viele Menschen versammeln
konnten. Die Bürgerschaft von Buggingen war dieser Anordnung durchaus
nicht entgegen, weil das freie Versammlungsrecht bestand.
Roggenburger schreibt weiter: »Diese Versammlung hatte keinen weiteren Zweck, da
Niemand damals auch die mindeste Ahnung von dem Ausbruch einer Revolution hatte,
auch fragliche Volksversammlung ohne alle weitere Störung der Ruhe und Ordnung abgehalten
wurde.«23
Dabei hielt Roggenburger nach seinem Vorredner, dem früheren Advokaten von
Rotteck, eine Rede.
In seiner Rede trug Roggenburger nach einem Willkommensgruß »ein selbstverf aßtes
Gedicht« vor, an das er einen geschichtlichen Vortrag anknüpfte.
Das Gedicht hat folgenden Wortlaut:
»Also laßt vereint, in schönster Harmonie uns streben nach Verwirklichung der
Demokratie.
Demokratie? - ein republikanisch Schreckens wort wird Mancher fragen -
Nein, ich will auf deutsch euch sagen - daß ich dieß Wort in diesem Sinne nicht
verstehe.
Ich wills erklären, wie ich's meine; ich begehre: Arbeit sei des Bürgers Zierde
Segen, Wohlstand seiner Mühe Preiß.
Streng gescheut den Müßiggang - unmenschliche Begierde.
Jeder, eße sein verdientes Brot im Schweiß.
Lehr und Wißenschaft zu ehren.
Treue Bürger, um den Feind zu wehren.
Nach Verdienst zu schätzen jedes geist'ge Streben - jede Kunst.
Weg mit Fürsten - oder Höflingsgunst!
Gesetz, Verwaltung einfach, wohlfeil, klar.
Nur für das, was nützlich, gut und wahr.
Durch die Bildung nur zum Wohlstand:
Ruf man offen aus
Bürgertugend kehr in jedes Haus!
Alsdann, wie in jedem freien Land,
Alsdann rufe jeder Stand
Freiheit, Gott und Vaterland!«3)
b) Verhaftung und Prozeß
Am 28. Juli 1849, also wenige Wochen nach dieser Volksversammlung, wurde das Gemeinderatsmitglied
Roggenburger in Untersuchungshaft in das Müllheimer Amtsgefängnis
eingeliefert. Nur wenige Tage zuvor war er vom Großherzoglich Badischen Bezirksamt
in Müllheim zum Bürgermeisteramtsverweser von Buggingen ernannt worden.
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