http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0056
Doch das Finanzministerium faßte am 6. September 1856, einen Tag nachdem der
Prinz und Regent zum Großherzog Friedrich I. proklamiert worden war, den Beschluß,
nicht auf Roggenburgers Bitte einzugehen.
Er war darum gezwungen, die ausstehenden 900 Gulden noch aufzubringen und an
die Generalstaatskasse zu bezahlen.
Erst im Jahre 1859, also genau zehn Jahre nach dem für Roggenburger so folgenschweren
Jahr 1849, hatte er es geschafft!
Die Großherzoglich Badische Generalstaatskasse meldete am 7. Januar 1859 an das Finanzministerium
, »daß der Beklagte nunmehr seine Abfindungsschuld samt Zinsen abgetragen
hat.«76)
B Berufsausübung
a) Landwirt und Müller
Als Roggenburger nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1840 die elterliche Wirtschaft
übernahm, war er, 20jährig, gerade erst aus der Schweiz beziehungsweise Neuchätel zurückgekehrt
. Infolgedessen mußte sich der junge Mann erst in die Verhältnisse und die
Leitung einer so ausgedehnten Wirtschaft einarbeiten.
Wieviel er schon in seiner Jugend davon mitbekommen hatte, läßt sich nicht genau
feststellen. Sicher ist, daß Roggenburgers Vater keine so umfassende Buchführung hatte
wie er selbst. Die Familientradition überliefert, daß sich Roggenburger lieber für die lateinische
Sprache und die übrigen Fächer bei Zittel interessiert habe.
Trotzdem ist anzunehmen, daß er sich in der Leitung der Wirtschaft schnell auskannte
. In seiner Mutter, damals SOjährig, hatte er eine gute Hilfe.
Die frühesten Aufzeichnungen Roggenburgers in seinen Wirtschaftsbüchern stammen
aus dem Jahre 1844.
In ihnen zeigt der 24jährige, 4 Jahre nach Übernahme des Betriebes, ein großes landwirtschaftliches
Verständnis und eine exzellente Kenntnis der Buchhaltung. Es tauchen
viele Fachausdrücke aus dem Bereich der Buchführung auf, die Roggenburger in französischer
Schreibweise gebraucht. Als Beispiele seien Worte wie »de meme«, »rapport de
folio« und »du 14 dit« genannt.
Woher Roggenburger diese Kenntnisse hatte, läßt sich nur vermuten. Wahrscheinlich
stammen sie aus der Zeit seines Aufenthaltes in Neuchätel. Von dort rührten sicher auch
weitere Fremdwörter, die er im Verlauf seiner Niederschriften häufig verwandte.
Ferner ist auf die Gewandtheit hinzuweisen, mit der er seine Verteidigungsschrift, seine
Apologie und den ausgedehnten Briefwechsel mit dem Finanzministerium verfaßte.
Roggenburger war nach dem Jahre 1840 » Landwirt«, da er Besitzer eines landwirtschaftlichen
Betriebes war. »Müller« nannte er sich nur darum, weil zu seiner Landwirtschaft
auch eine Mühle gehörte.
Erst Mitte der 50er Jahre, 1854, Roggenburger war schon verheiratet, machte er sein
Meisterstück als Müller. Er mußte dafür 5 Gulden und 37 Kreuzer bezahlen.
Im gleichen Jahr erwarb er auch das Branntweinpatent. Dies kostete ihn 20 Kreuzer.
Die genauen, fast penibel zu nennenden Aufzeichnungen ergeben ein farbiges Bild
über Vermögen sowie Einnahmen und Ausgaben eines Landwirts und Dorfmüllers in
der Mitte des letzten Jahrhunderts sowie seines Lebensstandards. Neben den Liegenschaften
, die Roggenburger im Jahre 1840 geerbt hatte und deren Wert und Umfang
schon in einem früheren Abschnitt aufgeführt wurden, besaß er auch »fahrende Habe«.
Zu jedem Jahreswechsel hielt er deren Wert und Umfang neu fest.
Zur »fahrenden Habe« gehörten alle Dinge, die nicht an festen Grund und Boden gebunden
waren. Bei Roggenburger waren dies: Vieh, Ernteerträge, Vorräte, Spirituosen,
Wein, Dung, Holz, Geräte.
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