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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 63
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0065
Neben den umfangreichen Arbeiten in Haus und Hof - allein für seine Buchführung
muß er viele Stunden aufgewendet haben - nahm er lebendigen Anteil am Geschehen in
Land und Volk.

Und als die Stunde kam, war er wieder bereit, Verantwortung zu übernehmen und seiner
Heimatgemeinde zu dienen.

Der neue Großherzog Friedrich I. verstand es, die Gedanken seines Vorfahren, des
Markgrafen und späteren Großherzogs Carl Friedrich, aufzunehmen. Auf diesen Fürsten
ging die Verfassung von 1818 zurück, die nach Karl von Rotteck »die Geburtsurkunde
des Badischen Volkes« war, weil sie »aus Breisgauern, Durlachern und Markgräf-
lern eine neue und höhere Einheit, aus einer Summe von Untertanen ein lebendiges Ganzes
« hatte werden lassen.

Friedrich I. brachte es fertig, die Bevölkerung unmittelbar am Staat und an der staatlichen
Willensbildung zu beteiligen, und zwar in einem Ausmaß, das weit über alles hinausging
, was in dieser Hinsicht in Deutschland bekannt war. Im Frühjahr 1860, in der
Zeit, in der der Konflikt zwischen Parlament und Regierung in Preußen im sogenannten
»Verfassungskonflikt« seinem Höhepunkt entgegentrieb, beauftragte Friedrich I. nach
einer Abstimmungsniederlage der bisherigen Regierung erstmals offiziell die Führer der
siegreichen Parlamentsopposition mit der Bildung eines neuen Kabinetts.

Diese Tat war so kühn, ja revolutionär, daß Bismarck noch im 3. Band seiner »Gedanken
und Erinnerungen« das parlamentarische System in Baden als Folge fragwürdiger
Popularitätshascherei des dortigen Monarchen abzutun versuchte.

»Der regierende Herr«, so schreibt er dort über den badischen Großherzog, »war in
dem Herkommen aufgewachsen, daß das Streben nach Popularität und das Rechnung
tragen jeder Regung der öffentlichen Meinung gegenüber das Fundament der modernen
Regierungskunst sei.«

Baden wurde zum »liberalen Musterland«, weil Leute wie Roggenburger bereit waren
, das ihre zum Wohl des Landes zu tun. Er, der ein eingefleischter Republikaner gewesen
war, hatte eingesehen, daß die Zeit für eine Republik in Deutschland noch nicht
gekommen war. Darum stellte er sich der »parlamentarischen« Monarchie zur Verfügung
, in der seine Idee vom Verfassungsstaat wenigstens annähernd verwirklicht war.
Hinzu kam noch die Freude über die Verwirklichung seiner anderen Idee, der Zusammenschluß
der Deutschen im nationalen Einheitsstaat, dem Kaiserreich von 1871. (Die
Tatsache, daß dieses Reich durch eine Willensäußerung der Fürsten, und nicht durch eine
Mehrheitsentscheidung der Deutschen zustande gekommen war, kam Roggenburger
und seinen Zeitgenossen vor lauter Freude über das endlich Erreichte nicht zu Bewußtsein
!)

Roggenburger stellte sich nun für das Bürgermeisteramt zur Verfügung und diente seiner
Heimatgemeinde mit seinen Fähigkeiten und seinen Erfahrungen, solange es seine
Kräfte zuließen.

Leider hat sich das badische Vorbild für eine entsprechende Reform der Verhältnisse
in Preußen und im Deutschen Reich bis 1918 nicht durchgesetzt. Beide Staaten blieben
»Obrigkeitsstaaten«, wie der Südwesten sagte, mit all den unausgetragenen Spannungen
, mit denen ein solches System der »Regierung über den Parteien« verbunden war.

Auch die Weimarer Republik vermochte das Modell einer Zusammenarbeit aller demokratischen
Parteien, auf die sie sich in ihren erfolgreichen Phasen stützte, nicht
durchzuhalten. Es war kein Zufall, daß Südwestdeutsche in dieser Blütezeit eine entscheidende
Rolle spielten. Doch wenig später war das alles nicht mehr gefragt. Erst nach
dem Ende des Nationalsozialismus besann man sich wieder darauf. Im Juni 1946 sagte
Reinhold Maier: »Von unserem Lande muß die Demokratie neu geboren werden. Denn
hierzulande stoßen wir nach Beseitigung des nationalsozialistischen Mörtels nicht auf
politisch reaktionäres Mauerwerk sondern auf festgewachsenen urdemokratischen Mutterboden


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