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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 92
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0094
Gedanken zum Bildersturm in der Reformation

von Christian Martin Vortisch

Ein Aspekt der Reformationsgeschichte ist offenbar noch kaum untersucht und kann
möglicherweise aus Mangel an detaillierten Uberlieferungen auch gar nicht mit seinen
Hintergründen und Motiven erhellt werden. Es ist der Bildersturm. Meistens wird er angesichts
der großen und bedauerlichen kulturellen Verluste, die durch ihn zu beklagen
sind, mit bösen Bemerkungen des Unverständnisses abgetan, die diesen Vorgang aus
heutiger Sicht beurteilen, aber jede historische Bewertung offensichtlicher Beweggründe
gern vermeiden oder unterlassen.

Im Zusammenhang mit den Beschwerden der Bauern gegen ihre adligen Unterdrücker
und ihre geistlichen Ausbeuter, und im Zusammenhang mit den Gründen und Folgen
des Bauernkriegs ist wahrscheinlich auch der Bildersturm der frühen Reformationszeit
zu sehen. Natürlich haben wir es auf Seiten der Stürmer mit den radikalsten Elementen
zu tun. Und dies waren gewiß nicht »die Bürger«, sondern die Ärmsten im Lande, vielleicht
die kleinen Bauern, die am meisten unter Fron und Lasten zu stöhnen hatten und
bereit waren, auch in den Reichsstädten, die sich eigene Territorien geschaffen hatten, radikale
Änderungen herbeizuführen. Zu ihnen gesellten sich in den Städten manche weniger
gut gestellte Handwerker, die Leinenweber und Schneider, die unselbständigen Teile
der Handwerkerzünfte und die Angehörigen der »unzünftigen«, vorindustriellen Berufe
der städtischen Unterschichten, auch viele Landsknechte, von denen ja immer ein Teil,
wenn man sö sagen darf, glückerlicherweise arbeitslos war.

Es ist aber merkwürdig, daß auch viele, und gerade bedeutende Künstler Anhänger
der Bauern und ihrer Forderungen waren. Allen voran sei Jörg Rathgeb, der Maler, genannt
, von den Bildschnitzern und Bildhauern Tilmann Riemenschneider. Auch Matthias
Grünewald wurde 1525 gemaßregelt, weil er der Sympathien mit den Bauern wohl
nicht nur verdächtig war. Daß gerade Künstler immer sehr feinfühlig für die Strömungen
ihrer Zeit waren und sind, bedarf keines Beweises. Man muß aber wohl sehen, daß besonders
die bildenden Künstler bei der Darstellung sowohl weltlicher wie vor allem
geistlicher, biblischer Szenen immer neben den idealisierten Hauptfiguren ihrer Bilder
den Gegensatz in Gestalt »des Volkes«, nämlich der handarbeitenden Menschen, der
Soldaten (in ihrer brutalen Gestalt), der Armen, Leidenden und Kranken darzustellen
hatten. Mit diesem Personenkreis mußten sie sich nicht nur als ihren Modellen, auch als
Menschen mit ihren Tätigkeiten und Sorgen beschäftigen. Sie gingen dorthin, wo man
sie antreffen und aussuchen konnte, an ihre Arbeitsstätten, in die Wirtshäuser und Spelunken
, in Basel auf den Kohlenberg zu den Sackträgern und Leuten der Stadtreinigung,
zu denen, die sich als Landsknechte und Reisläufer anwerben ließen. Mit ihnen allen
konnte man nur Verbindung haben, wenn man ihre Sprache sprach, ihre Nöte und Sorgen
kannte, kurz, wenn man sich mit ihnen auch innerlich beschäftigte. Gründe genug
für bildende Künstler, Bewegungen wie den Bundschuh nicht nur zu verstehen, sondern
auch ihre Beweggründe anzuerkennen und für sie und die Besserung ihrer Lage einzutreten
.

Was aber bat das mit dem Bildersturm zu tun?

Die großen sakralen Bildschöpfungen als Altarbilder oder ganze Flügelaltäre, sie galten
der Verehrung von Heiligen und wurden entweder im Auftrag von Obrigkeiten,
fürstlichen, geistlichen, städtischen, oder im Auftrag von anderen großmächtigen »Stiftern
« gemalt. Dabei wurden eben die Heiligen, die himmlischen Heerscharen, Päpste,
Kardinäle und Bischöfe, die Fürsten und die großen Herren und Familien dargestellt. Sie

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