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zahlen konnten. Es folgten Klosterrefektorien und Rathaussäle, schließlich bei preiswerteren
kleineren Öfen die Stuben der Bürger-und Bauernhäuser.
Außer beliebten religiösen Szenen, Heiligen und Wappen wurden in der Renaissance
gerne Allegorien dargestellt. Die Platten zeigen den gleichen Stil der zeitgenössischen
Kunstrichtung und lassen sich dadurch ungefähr datieren. Leichter ist es, wenn sie dem
Kreis eines bekannten Formschneiders entstammen. Diese waren oft vielseitige Künstler
und schufen auch Plastiken, Chorgestühle, den bildlichen Schmuck an Fachwerkhäusern
und anderes mehr. Dabei bedienten sie sich zur Anregung und auf Wunsch der Besteller
auch gängiger Holzschnitte und Kupferstiche. Sie setzten diese aber in die plastische
Form des Reliefs um, wie es Robert Feger für die Heitersheimer »Lotplatte« (87 x 97
cm, um 1560) nachweisen konnte.41 Als hauptsächlichste Vorlagen dürften hier Holzschnitte
des Nürnbergers Sebald Beham gedient haben.
So findet sich auf manchen Ofenplatten ein ganzes Spektrum künstlerischer Anregungen
, Nachahmungen, das je nach Können im Ausdruck verschieden bleibt. Manchmal
ist es schwer, ja unmöglich festzustellen, ob die Anregung, Kopie direkt übernommen
wurde oder von zweiter oder gar dritter Hand stammt. Manches erstreckt sich auch auf
Allgemeingut gewordene Ausdrucksformen der Zeit.
Darstellung von Justitia und Mars
Da unsere Platte in beiden Figuren gut erhalten ist, kann hier eine genauere Beschreibung
gegeben werden, um auf Wesentliches aufmerksam zu machen und auf kunst- und
kulturgeschichtliche Momente abzuheben.
Die altrömische Göttin der Gerechtigkeit Justitia wurde in der antiken Welt mit den
Attributen der Waage, einem Ölzweig oder mit Szepter oder Füllhorn dargestellt. Erst
im Mittelalter tritt bei ihr das Schwert auf neben dem wägenden Symbol, als ein besonderes
Zeichen richterlicher Gewalt über Leben und Tod.
Unsere großformatige Ofenplatte (Abb. 1) mit Doppelrahmung zeigt links eine imponierende
junge Frauengestalt in energischer Haltung mit allen trachtlichen Kennzeichen
deutscher Renaissance. Das große, im Nacken gebundene Diadem (Abb. 2) verdeckt einen
Teil des üppigen Haares, das seitlich vor dem Ohr in einer kleinen Locke, dahinter in
drei Schwüngen bis zur Schulter fällt und auch noch an der Stirn hervorquillt. Uber dem
Scheitel wird die Fülle von einem Band gehalten.
Auf einem Kupferstich von Albrecht Dürer (fl528) von etwa 1500, von ihm das
»Meerwunder« benannt, trägt die nackte Frau einen ähnlichen, dort reich verzierten
Kopfschmuck. Der Holzschnitt des Meisters von 1521 mit den Wappen des Reichs und
Nürnbergs zeigt darüber sogar eine SANCTA JUSTITIA mit Flügeln, Schwert und
Waage. Die Reichsstädte waren um ordentliche Rechtsfindung und um ein gerechtes Gericht
bemüht. '
Das hübsche, festgerundete Gesicht mit gerader Nase (Abb. 2), noch etwas in Dreiviertelansicht
, blickt auf Mars. Die Linke trägt unübersehbar das Attribut der Waage im
Rund, Ring- und kleiner Finger sind noch zu sehen. Die etwas angewinkelte Rechte hält
fast spielend das schwere, erhobene Zeremonialschwert. Sein Knauf bildet eine große
umrundete Scheibe, in deren Mitte ein Herrschaftswappen oder darin eine gefaßte Reliquie
zu denken ist. (Abb.l)
Solche scheibenförmigen Schwertknäufe finden sich z.B. 1498 mehrmals in der Holzschnittfolge
von Dürers »Apokalypse« in kultischer Bedeutung. Bei seinem Gemälde
von Karl dem Großen mit den Reichsinsignien 1512, die damals in Nürnberg aufbewahrt
wurden, endet der Griff des zeremonialen Reichsschwertes ebenfalls in diesen Knauf.
Diese betonte Rundform ist schon früher in Italien, z. B. in Padua, am Reiterstandbild
Donatellos für den Söldnerführer Gattamelatta 1446/47 an dem riesigen Zweihänder zu
beobachten. Manchen aufgeschlossenen deutschen Künstler wie Dürer, Burgkmaier
und andere zog es ja in das gelobte Land der Renaissance nach Italien.
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