http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0142
Daraus geht klar hervor, unser Meister hat die Figurenpaare für das Ofenprogramm
aus zwei Holzschnittfolgen von Hans Burgkmair zusammengestellt. Vielleicht bekam er
auch einen Auftrag dazu.
Aus der Reihe der »Sieben Planeten« holte er sich die Blätter Mars und Merkur, aus
der Folge der »Sieben Kardinaltugenden« »Die Gerechtikait« (Justicia) Abb. 6) und die
»Firsichtikait« (Prudencia). (Abb. 9)
Nach Tilmann Falk181 haben diese Holzschnittfolgen schon vom Thema her weite
Verbreitung gefunden und wurden zu Vorlagen in vielen Kunstrichtungen.
Hans Burgkmair wird gern als der deutsche Renaissancekünstler bezeichnet. Ab 1504
brachte ihm die Bekanntschaft mit den Augsburger Humanisten Peutinger und Celtis
aus Wien Aufträge und Einführungen in die antike Welt. Er wurde unter anderem zur
Mitarbeit für die Holzschnittfolgen zu Kaiser Maximilians L »Triumphzug« (1512 -
1519), zum »Weißkunig« (1516) und zum »Theuerdank« (1517) herangezogen.
Etwa 1510 fand er in dem Antwerpener Jost de Negker in Augsburg einen Buchdruk-
ker und Formschneider von Format. Dieser schuf anhand von Burgkmairs Zeichnungen
die Holzschnitte, bildete eine Generation tüchtiger Holzschneider heran und übernahm
außerdem Druck und Vertrieb der Blätter.18'
In Italien war auf Burgkmair eine Fülle neuer Formideen, Darstellungs- und Malweisen
gekommen.18'
Es ist nun sehr reizvoll zu verfolgen, wie unser Meister beim Modelschnitzen seine
Vorlagen im einzelnen benutzte, aber auch wie er sie nach eigenem Geschmack abänderte
.
Für unsere Justitia war Vorbild (Abb. 6) »Die Gerechtikait« aus der Reihe der »Sieben
Kardinaltugenden«. Dazu gehörten außerdem: Der Glaub (Fides), Die Lieb (Caritas),
Die Hofnung (Spes), Die Fürsicht (Prudencia), Die Mesikait (Temperancia) und Die
Stärk (Fortitudo). Piaton hatte vier Kardinaltugenden aufgestellt: Besonnenheit, Tapferkeit
, Weisheit und Gerechtigkeit. Letztere verstand er als oberste Tugend in dem Sinne,
der Mensch solle in sich selbst, zu seinem Wesen gerecht, im Gleichgewicht sein.19 ' Das
System bestimmte auch die Welt des Mittelalters, das noch drei christliche Kardinaltugenden
, Glaube, Liebe, Hoffnung hinzufügte. Dieser Tugendkanon wird in der Allegorie
bis zur Neuzeit in Plastik und Malerei immer wieder neu abgewandelt.
Unser Holzschnitt (Abb. 6) zeigt ein schlankes Mädchen, Kopf im Profil, mit modisch
betontem Hohlkreuz, dadurch hervortretenden Bauchpartien und weit abgewinkeltem
rechten Ellbogen. Das Schriftband oben wiederholt diese Spannung und verbindet
dabei den rechten Oberarm mit der Scheibe der Waage. Die Beinstellung zum linken
Fuß ist stark abgewinkelt.
Unser Meister (Abb. 1) meidet die starken Bewegungen in der Körperhaltung, in der
rechten Armstellung, im vorgesetzten Hals und in der Beinstellung zu Gunsten eines ruhigeren
Bewegungsmoments und eines sicheren Standes. Das Diadem, nach Dürer, wird
übernommen, die Haarfülle zum Schwert hin vergrößert, dieses kopiert bis auf die Fransen
am Griff und etwas schräger in die Seitenansicht gestellt. Die Gesamtfigur erscheint
etwas stämmiger, fester, körperhafter. Bei Hand und Fingern werden einfachere Formen
bemüht. Beim Kopf zeigt statt des Profils eine schwache Dreiviertelansicht, ein
raumhaltigeres Bild und ein anderes, plastischeres Gesicht. (Abb. 2)
Das Waageattribut wird in Einzelheiten etwas verändert, das Gewand oben bis zum
Gürtel hin im wesentlichen übernommen. Statt der Knopfreihe zeigt der Gürtel im
Schwung einen neuen Akzent. Schrägstreifen zu den Längsstreifen im Gewand bringen
mehr Verbindung und räumlichere Form. Der faltenreiche Bundhosenrock wird fast
verdrängt durch die betonte interessante Darstellung eines spitz geschnittenen Uberrocks
mit plastisch recht wirksamen kräftigen Borten und zwei gewichtigen, dekorativen
Troddeln, die auch von Dürerzeichnungen her bekannt sind. Auch der feinere Umhang
ist im Schwung um das rechte Handgelenk, mehr in Beziehung zum Schwertknauf und
zur Borte, gesetzt.
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