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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 147
(PDF, 35 MB)
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Überschwemmungen erinnert, ist mir von daher immer bedeutsam gewesen. Wer vermag
sich heute dabei noch etwas vorzustellen! Vag habe ich auch noch das Gebäude der
»Schol« an der Sporengasse vor mir, aber mit geschlossenen Läden; es wurde mir gezeigt
, weil daher früher die Häute gekommen waren, die im Lohof gegerbt wurden. Von
anderen örtlichkeiten weiß ich aus dem Ende der siebziger Jahre nichts mehr zu erzählen
. Freilich habe ich dann später, als ich nicht mehr in der Stadt wohnte, noch manche
andere kennengelernt, auf die ich noch da und dort zu reden kommen werde. So ist eigentlich
nicht Basel mein Jugendland, so wenige Jahre ich dann im wirklichen verbringen
durfte.

Mein Vater zog mit den Seinen ins Wiesental, und da fand es sich. Ich sage nicht: in
Brombach und in der dort eingerichteten Gerberei; trotzdem diese der Herzpunkt war.
Der ganze Talboden gehörte dazu, vom Röttier Schloß beherrscht, weit ausgebreitet,
von der Wiese und den vielen »Teichen« belebt, mit Steinen, Hauingen, Hägelberg im
Hintergrund, »Lörrach« im Ausblick nach der Heimat, hinter der Brombacher Kirche
durch aufsteigende Wälder gegen den Himmel begrenzt. Mit den lustigen Buben und
Mädchen, den arbeitsamen Mannen und den vielen Frauen, die die »Chappe« auch noch
an Werktagen trugen, auch über weißen Hemdärmeln, und die alle so urchig markgräfle-
risch redeten, daß auch Zugewanderte, wie wir, und Arbeiter der großen Weberei am
Dorfrand, sie annehmen mußten, wenigstens, wenn wir nicht in unseren Häusern waren
. Nicht erst in der Erinnerung hat mir Hebel das Tal beseelt; er hatte noch nirgends ein
Denkmal, als ich ein kleiner Bub war, aber er lebte in allen Herzen, und ein Schein seines
offenen, gesunden und frommen Wesens lag über uns, ein Klang seiner Lieder schwebte
zwischen den Kirchtürmen und schwang in den Glocken mit. Von ihm her wußten alle,
was Dichtung bedeute und was Heimat heiße. Daß man dieses Bewußtsein auch weiter
tragen könne, habe ich später erfahren; aber ebenso, wie es trotzdem an den alten Stätten
unauslöschlich haften bleibe, ungeteilt, wenn auch verbreitert und vertieft. Täglich
schweift mein Blick in mein Jugendland hinüber; nur mit tiefer Erschütterung habe ich es
nach den beiden Kriegen wieder betreten, und wenn ich es durchschreite, übt es denselben
Zauber wie einst, trotz allen Veränderungen, die ihn mir stören möchten. Und
wahrlich ist es der alte Dichter, der ihn mir aufbewahrt hat; und während meiner Zeit
sind ihm auch noch Helfer erstanden, Männer, die die Verehrung für ihn mächtig zu vertiefen
wußten, vor ihnen allen unser Andreas Heusler, der Sprach- und Herzenskundige
, aber neben ihm auch ein anderer Dichter von eigener Art und mit Schicksalen, die
dem von Hebel wenig gleichen, der aber den Klang über dem Tal noch voller gemacht
hat: Hermann Burte, der Neffe unseres vertrauten Hausarztes von anno dazumal. So ist
alles verflochten, was von der Jugend übrig blieb. Von anderen Verflechtungen wird
noch viel die Rede sein. Diese hat ihren ganz besonderen Platz, aber da sie noch dauert,
soll nichts berufen werden.

Brombach war noch ein Bauerndorf; die aufkommende Industrie hatte diesen Charakter
noch nicht verwischt. Sie war die Gründung einer aargauischen Familie, während
sich in der Umgebung die baslerische Industrie ausgebreitet hatte. Auf dem Gottesacker
standen die weißen Denkmäler der Gründer, eines ehrenfesten Ehepaares, das ich nicht
mehr gekannt habe; Söhne und Töchter waren große Personen für die Dorfbewohner,
auch für uns, mit denen zwar die Eltern gemessen verkehrten, die aber in der Gerberei
seltene Gäste waren. Hingegen standen uns zwei der Familie angehörige Mitarbeiter sehr
nahe. Der eine freilich entschwand uns bald, seine Tochter wurde später die Frau eines
eigenen treuen Mitarbeiters (Dr. Paul Meerwein), und unvergänglich lustig war für uns
die Geschichte eines Weihnachtsgeschenkes, das er einmal meiner Mutter überbrachte.
Die Arme nahm es verwirrt entgegen mit den Worten: Aber, schenken auch Sie mir noch
eine Kleinigkeit! Der andere aber wohnte mit seiner herrlichen Lörracher Frau und seiner
Kinderschar im Brombacher Schlößli, das zum Teil baulich wiederhergestellt war, an
das aber noch Ruinenmauern mit Bogennischen anstießen. Junkerlich ging es zwar im
Schlößlein gar nicht zu, aber man war doch stolz, dort einkehren zu dürfen. Das Hausre-

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