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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 149
(PDF, 35 MB)
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terei veranstaltet und da gebadet. Einmal saßen mein Schwesterlein und ich in einem
dunklen Schwefelbad; es wurde Nacht, und der Mond schien gespenstig auf die weißen
Wände: die Mutter kam nie und nie - da wurde es ein gleicher Schrecken wie damals im
Gäßchen. Aber sonst war's warm und hell im Haus, wenn nicht etwa die Sorgen der Eltern
gar zu arg wurden. Es kamen auch andere gern herein und brachten Leben und Anregung
für die Kinder mit. Der Garten vor dem Haus mit seinen Spalieren und Blumen,
und der Gemüsegarten jenseits des Teichs, wo unterhalb des Brückleins die Häute geschwemmt
wurden, waren wohl gepflegt, aber doch nicht so gehalten, daß die Kinder
drin nicht hätten spielen dürfen. Die Spargeln und Tomaten freilich mußten im Gemüsegarten
respektiert werden; sie bildeten den Stolz der Mutter; aber Spargelstechen war ja
ein Hauptvergnügen und zeitige Paradiesäpfel ein Hochgenuß. Die Gerberei war den
Kindern mit samt ihrem Personal in allen Winkeln vertraut und gehörte zu ihrem Reich.
Ich schildere sie hier nicht; ich habe das Vorjahren einmal in Versen für die basler Gerbernzunft
getan. Nur vom Rinden-schopf, von der Lohkäs-Hürde und den Lohhaufen
um den Grubenplatz muß ich ein paar Worte sagen. Die Beigen von Rindenbündeln waren
schon für sich ein Spielparadies; aber es stand im Schopf auch noch ein altes Walkerad
vom Vorbesitzer her. Das war eine radförmige Tonne, die sich einmal an ihrer Achse gedreht
hatte und deren Inneres, durch ein kleineres Deckelloch zugänglich, ganz mit hohen
gerundeten Holzzapfen besetzt war; an denen konnte man darin hinabsteigen und
sich unten verstecken. Das hab ich noch als großer Bub im Kummer über des Vaters
Krankheit getan. Lohkäse wurde als billiges Brennmaterial hergestellt; wenn das Loh in
den Gruben seinen Dienst getan hatte, brachte eine Presse einen Teil davon in die Form
quadratischer dicker Platten, die auf der Schmalfläche stehen konnten, und diese Platten
kamen dann zum Austrocknen in eine bedachte Hürde, die aus Holzplatten bestand.
Damit die Luft überall zukomme, staken die Latten in gezahnten Brettern, die den Abstand
sicherten. Wenn sich die Hürde im Herbst leerte, so ließen sich mit den Latten
herrliche Stuben bauen mit Wänden, Bänken und Tischen; das war ein unerschöpfliches
Spiel. Aber erst die Lohhaufen! Da ließ sich klettern und »gumpen«, auch Ringplätze
konnte es keine schöneren geben, und wenn es von Zeit zu Zeit geschah, daß eine neue
Grubentonne da zum Einsetzen bereitstand, gut verkeilt, daß sie nicht ins Rollen kam,
waren die Diogenesse selig. Nahe bei dem Lohhaufen lag die Bahnlinie ins Wiesental; die
Fahrgäste sahen uns besser als die Eltern, und einmal fuhr der alte Großherzog das Tal
hinauf, wahrhaftig in Uniform, mit dem Eisernen Kreuz am Hals unter dem schönen
grauen Bart, stand er auf dem Balkon seines Wagens und grüßte uns Kinder unter unserer
Schweizerfahne - freundlich mit der Hand an der Mütze. Gespielen aus dem Dorf
fehlten mir nicht; wir veranstalteten Reitertourniere (ich war nicht so gern das Pferd),
und es wurden glänzende Schilde gefertigt; Helme waren schwerer zu runden, aber die
herrlichen Deckel der Schachteln mit Nürnberger Lebkuchen, mit dem goldenen St. Georg
darauf, waren eine große Hilfe.

Wenn die Herbstzeitlosen blühten, kamen die Gespielen mit den Kühen auf die Matten
bei der Gerberei, und dann wurden am Reisigfeuer Kartoffeln gebraten, die wunderbar
schmeckten; im Winter ging's zu den Grundwasserweihern am nahen Wiesendamm,
und man versuchte die Schlittschuhe. Einmal freilich stürzte die arme Mutter so unglücklich
, daß sie einen langen Augenblick ohnmächtig liegen blieb und wir sie hilflos
weinend umstanden. Diese Weiher waren von Schilf und Rohr umgeben, darin blühten,
leider meist unzugänglich, die herrlichsten gelben Schwertlilien; so schön waren die für
mich, daß nie eine später im eigenen Garten ihnen gleichkommen wollte. Sie waren der
Inbegriff geheimnisvollen Reizes. Jenseits des Dammes lag gleich das große »Wuhr« in
der Wiese, unterhalb dessen unser Teich in den Fluß mündete. Es rauschte da manchmal
gefährlich, ich erinnere mich zweier Hochwassernächte, wo der Vater auf dem Damm
verzweifelt wehren half und die Mutter sich arg über sein Ausbleiben ängstigte. Erst in
den letzten Jahren haben wir im Sommer beim Wuhr gebadet. Wir hatten einen Badeplatz
unterhalb unseres Radhauses im Teich; da war eine Eisenstange quer überm Wasser

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