http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-02/0071
Das Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation war gekommen. Schon
1804 hatte Kaiser Franz II. den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen, am 6.
August 1806 legte er die deutsche Kaiserkrone nieder. Als das Reich deutscher Nation
verschwand, war es schon so schattenhaft geworden, daß Goethe 1806 bloß notierte, es
habe aufgehört zu sein.
Mit dem Ende des Reiches war auch bis in das kleinste Dorf eine neue Zeit angebrochen
, deren Wurzeln bis zur Französischen Revolution von 1789 zurückreichen. Wohl
war das Land Baden der Gewinner, sozusagen von Napoleons Gnaden. In der kurzen
Zeit von 1803 bis 1810 vermehrte es seinen Gebietsumfang von 700 auf 15000 Quadratkilometer
, seine Einwohnerzahl von 190000 auf nahezu eine Million. Außer den rechtsrheinischen
Teilen der Bistümer Basel, Straßburg, Konstanz und Speyer mit den pfälzischen
Ämtern Ladenburg, Bretten, Heidelberg und Mannheim, mit mehreren Abteien
und Reichsstädten, erwarb Kurfürst Carl Friedrich 1806 im Frieden von Preßburg die
vorderösterreichischen Landschaften Breisgau und Ottenau sowie die Stadt Konstanz.
Nach dem Ende des alten Deutschen Reiches wurde Carl Friedrich der souveräne
Herrscher mit dem Titel eines Großherzogs. Damals gehörte Baden zusammen mit 16
Fürsten des alten Deutschen Reichs dem Rheinbund an unter dem Protektorat des französischen
Kaisers. Seine »Gnaden« erwiesen sich als keine umsonst erhaltenen Gaben,
denn zu den von Frankreich auch nach 1806 unausgesetzt fortgeführten Kriegen mit allen
Mächten Europas hatte das Großherzogtum Hilfsmannschaften zu stellen und Materialien
für Kriegsbedürfnisse zu liefern. Am schlimmsten war das Schicksal badischer
Truppen, die mit den Franzosen 1812 in Rußland kämpfen mußten. Bis auf wenige Mann
ging das badische Hilfskorps auf dem Rückzug an den im russischen Winter ausgestandenen
Strapazen und Entbehrungen zu Grunde. Nach der Völkerschlacht von Leipzig,
18. Oktober 1813, in der die Badener noch auf Napoleons Seite kämpften, sagte sich
Großherzog Karl, Nachfolger des im Januar 1811 gestorbenen Carl Friedrich, vom
Rheinbund los, und die badischen Truppen kämpften von nun an an der Seite der Alliierten
gegen Frankreich.
Erst im Jahr 1852 wird in einem Bericht des Bezirksamts Müllheim über eine in Vögis-
heim vorgenommene Prüfung der Ortsverwaltung unter anderem erwähnt, daß die
»Kriegskosten bis auf etwa 35 Gulden eingezogen sind*.
Auch im Dorf Vögisheim ging die Säkularisation nicht spurlos vorüber (Säkularisation
heißt so viel wie Verweltlichung, Sachen werden säkularisiert, wenn sie die Eigenschaft
kirchlicher Güter gänzlich verlieren und in weltliche Hände kommen). Wie wir im Verlauf
der Dorfgeschichte gesehen haben, war der Grund und Boden zumeist im Besitz von
geistlichen Herrschaften, Stiften, Abteien, Klöstern. Nun galt es, diesen Besitz in Staatsbesitz
umzuwandeln und von den anfallenden Ländereien Grund und Boden den bisherigen
Lehensnehmern oder anderen Personen zu übereignen. Dies geschah natürlich
nicht umsonst.
/. P. Hebels Freund Gyßer
Zu dieser Zeit saß in Müllheim der Rechnungsvogt Gyßer, der Freund Johann Peter
Hebels, von diesem als »Schatzigsbleger« in köstlich gereimten Briefen angesprochen.
Gyßer hat sich mit all den Folgen der Säkularisation herumzuschlagen. Die anfallende
Arbeit türmte sich zu einem Berg. So ist es nicht verwunderlich, daß die Großherzoglich
Badische Kammer um die Zuteilung einer Hilfsperson gebeten wurde. In einer Prome-
moria (Denkschrift), die Rechnungsrat Gyßer am 31. Oktober 1807 an die Burgvogtei
weitergibt, heißt es u.a., daß es die Versteigerungsprotokolle über die verkauften Staufener
Lehensgüter zu Vögisheim zurücksende. Dazu bemerkt er, »daß ich den Einzug dieser
in zu vielen Orten bestehenden Kaufschillings-Gelder ebensowenig als die Erhebung
der übrigen klösterlichen Gefälle übernehmen kann, wenn mir nicht vordersamst die
69
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-02/0071