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Die römische Vespasian-Münze von Grenzach
Ein Fundstück aus der frühen Römerzeit
von Erhard Richter
Im Mai 1983 wurde bei den Ausgrabungen in der großen römischen Säulenvilla von
Grenzach durch das Landesdenkmalamt eine fast stempelfrische Vespasian-Münze gefunden
. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Dupondius von 28,5 mm Durchmesser
und 12,23 g Gewicht.
Diese Münze wurde 77/78 n. Chr. geprägt, wie aus der Zahl VIII am rechten Rand der
Vorderseite hervorgeht (Abb. 1). Diese VIII bedeutet nämlich, daß Vespasian zur Prägezeit
schon 8 Mal das Ehrenamt eines Consuls verliehen worden war. Da nun der Kaiser
seit dem Jahre 69 regierte, setzt man die Münzen mit dieser Zahl in die Zeit von 77/78
n. Chr. Die kleine Kugel am Halsabschnitt weist dabei auf die Prägestätte Lyon, denn
dieses Kennzeichen wurde dort verwendet.
Die Büste des Kaisers trägt eine Strahlenkrone, und die Umschrift lautet: IMP CAES
VESPASIAN AVG COS VIII P P, was soviel bedeutet wie Imperator Caesar Vespasian
Augustus Consul VIII Pater Patriae (Vater des Vaterlandes).
Auf der Rückseite zeigt die Umschrift FIDES PVBLIC (A), daß es sich bei der Frauengestalt
um Fides, die personifizierte Treue, handelt, wobei public (a) diese Treue als
allgemeine oder öffentliche charakterisierte. Diese Göttin, welche bei Versprechungen
und bei der Ablegung von Eiden angerufen wurde, trägt in der rechten Hand eine Opferschale
und hält mit der linken ein Füllhorn, das in der Antike Reichtum, Glück und
Uberfluß symbolisierte. Die beiden Buchstaben S und C stehen als Abkürzung für die
Formel »Senatus Consulto« = auf Beschluß des Senats (wurde die Münze geprägt).
(Abb. 2).1)
Die Grenzacher Vespasian-Münze erinnert an einen bedeutenden römischen Kaiser,
auf den auch die Eroberung des westlichen Süddeutschland zurückgeht. Deshalb lohnt
es sich, einen kurzen Blick auf ihn und die damalige Situation zu werfen. Am 8. Juni des
Jahres 68 n. Chr. ächtete der römische Senat den halbwahnsinnigen Kaiser Nero, nachdem
einige Statthalter Galliens und Spaniens gegen dessen blutige Willkürherrschaft rebelliert
hatten. Da Nero keine Möglichkeit der Rettung mehr sah, tötete er sich am folgenden
Tag mit einem Dolch. Danach erlebte das römische Reich fast zwei Jahre dauernde
Erschütterungen, weil die Legionäre vier verschiedene Feldherren zu Kaisern ausriefen
. Der zuletzt in Alexandria und Syrien auf den Schild gehobene Titus Flavius Vespasian
wurde schließlich nach dem Tode der anderen drei Konkurrenten im Dezember des
Jahres 69 vom römischen Senat als Kaiser anerkannt.
Danach mußte Vespasian zuerst am Niederrhein Ordnung schaffen, wo sich die Bataver
gegen Rom erhoben und sowohl Xanten als auch Köln eingenommen hatten. Nach
deren Niederlage bei Trier im Jahre 70 n. Chr. betraute der Kaiser den Legaten des obergermanischen
Heeres, Cneius Pinarius Cornelius Clemens, mit der Eroberung des westlichen
Süddeutschland, also des Schwarzwaldgebietes. Dieses ragte wie ein Keil in das
schon etwa seit der Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts besetzte Land am
Rhein und an der Donau weit nach Süden bis in die Nähe des Basler Rheinknies hinein
(Abb. 3). In den Jahren 73/74 n. Chr. wurde diese Operation erfolgreich abgeschlossen
und die Kastelle an der Donau durch eine Heerstraße, die durch das Kinzigtal nach Offenburg
und Straßburg führte, mit dem Rhein verkehrsmäßig verbunden. ^
Die zehnjährige Regierungszeit Vespasians brachte dem ganzen Reich eine Periode
der Erholung und Beruhigung. Davon profitierte auch unser Gebiet, das schon etwa 2-3
Jahrzehnte vor dem Regierungsantritt Vespasians (69 n. Chr.) romanisiert worden war.
Durch die Vorverlegung der Reichsgrenze bis in das obere Neckargebiet (Abb. 4) wurde
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