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te der Vater von Wiesloch aus seine Familie in Mannheim öfters zu Fuß besucht). Auch
Heidelberg und seine Schloßromantik versteht Kußmaul lebhaft und anschaulich zu
schildern. »Bei dem Tausch des Mannheimer Lyceums mit dem Heidelberger bin ich
nicht gut gefahren, aus einer Schule mit idealem Streben kam ich in eine mit handwerksmäßigem
Betriebe.« Schulanekdotisches weiß Kußmaul in hübschen Kurzerzählungen
vorzubringen. Seinem ihm altersmäßig nächststehenden Bruder Rudolf widmet er im
folgenden ein eigenes Kapitel: da dieser in der Schule große Schwierigkeiten hatte, entfloh
er über Straßburg nach Toulon und Algier, um in die Fremdenlegion einzutreten.
Da er noch minderjährig war, gelingt es, in zurückzubeordern. Man versucht es nochmals
mit der Schule, in Karlsruhe findet sich der Durchbrenner zurecht und entwickelt
sogar poetisches Talent. Doch auf Dauer konnte er sich im Karlsruher Lyzeum nicht halten
. Man versucht es mit ihm als Schreiber, auch dies mißlang; schließlich trat er in die
badische Infanterie in Freiburg ein, schrieb indes dem Vater, »es währe ihm zu lange, bis
er in badischen Diensten den Marschallstab erringet«; schließlich emigrierte er nach
New York, wurde dort Soldat, nahm am nordamerikanisch-mexikanischen Krieg teil,
wurde verwundet, kehrte im Herbst 1849 kurzfristig nach Hause zurück, um dann für
immer als Farmer nach Nordamerika auszuwandern.
Allgemein gehaltene Kapitel, von dokumentarischem und kulturgeschichtlichem
Wert, schließen an, besonders aufschlußreich »Komfort und Lebensgenuß« - »Sogar die
Genußmittel Kaffee und Thee, die heute schon den Kindern - sicherlich nicht zu ihrem
Vorteil - zum Frühstück vorgesetzt werden, spielten damals bei weitem nicht die Rolle
wie heute. Suppen aus Hafermehl, auch Kartoffelsuppe und solche aus geröstetem Mehl,
waren noch in vielen bürgerlichen Familien der Städte und besonders beim Landvolk das
gebräuchlichste erste Frühstück. In dem Freiburger Krankenhause wurde bis 1864 Suppe
zum Frühstück verabreicht; die Kranken, namentlich die kranken Köchinnen, rebellierten
aber von Jahr zu Jahr mit größerer Heftigkeit und blieben lieber nüchtern, als daß
sie Suppe aßen; man sah sich zuletzt gezwungen, Kaffee zu geben.«
Den Abschluß dieses »Zweiten Buches« bilden die Kapitel »Die alte Landstraße am
Rheinthal« sowie »Die Eröffnung der ersten badischen Eisenbahn«, daraus eine persönliche
Erinnerung: »Bald nachher fuhr auch ich zum erstenmal auf der Bahn nach Mannheim
. In Friedrichsfeld machte der Zug einen kurzen Halt ... kaum war er wieder in
Gang gekommen, so sah ich aus einem der offenen Stehwagen ... eine Mütze herausfliegen
und hinterdrein sprang der Bauer heraus ... Das Publikum schrie, der Zug hatte noch
keine große Geschwindigkeit, die Lokomotive blieb stehen, der Bauer war in den Sand
gefallen, erhob sich, raffte seine Mütze auf und stieg mit ruhigem Gemüte wieder in den
Wagen.«
Im »Dritten Buch« schildert Kußmaul das »Burschenleben«. »Der Maulesel« (nicht
mehr Schüler, noch nicht Student), »Der Fuchs« (»als ein unschuldiges Füchslein lebte
ich zunächst nur meinen Studien«), »Die Burschenwelt« (»Der Handschlag des Prorektors
hatte mich zum akademischen Bürger, zum freien Burschen, gemacht... Ich trat in
eine neue Welt. Inmitten der Alltags weit der Philister hatte sich der deutsche Student eine
eigene geschaffen, die Burschenwelt mit eigentümlichen Sitten und Gebräuchen, Festen
und Waffen, Liedern und Melodien, ja mit eigener Sprache«). Das damalige Verbindungswesen
findet sich in den folgenden Kapiteln ausführlich behandelt: »Die Studentenschaft
der Ruperto-Carola bis 1840«, »Das Schwabenkorps«, »Korpsbrüder«, »Das
Pauken« (»Zu Anfang der vierziger Jahre stand das Paukwesen in vorher nie geahnter
Blüte. Es war zum gröbsten Paukunwesen geworden ... Die meisten älteren Burschen
der Suevia hatten 10-12, auch 20 und einige 40-60 Mensuren hinter sich ...«). Zwischen-
hinein hat Kußmaul einen »Besuch bei Herrn Benazet in Baden« (= Baden-Badener
Spielbank) absolviert. Ein Kommilitone überredet ihn dazu, 10 Gulden (etwa 200 DM)
einzusetzen, damit man 60 Gulden gewinnen möchte, »um vierspännig nach Straßburg
zu fahren, dort als feine Leute im Hotel de Paris abzusteigen und ein gutes Dinner einzunehmen
«. Zunächst gewinnt Kußmaul 40 Gulden, dann aber verliert er alles, auch seinen
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