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weißt, wie und woher. Einige aber behaupten, es komme von einem Edlen des Dorfes her, der geisterweise
gehen müßte, weil er teuflich gelebt habe und immer noch nicht erlöst sey, und deßhalb
seinen Spuk treibe in heiligen Zeiten ...«.
Daran schließen Reichs Heitersheimer Reminiszenzen an, besonders amüsant versteht er es, vom
letzten Großprior Ignaz Rink von Baldenstein zu plaudern: »... ein sehr prachtliebender Herr;
wenn er ausfuhr, so geschah es immer mit einem Viergespann kleiner polnischer Pferdlein, mit
Kammerdiener und Leibkutscher auf dem Bocke, während hinten oben ein Haiduck und der
Schalksnarr sich präsentirten. Vor dem Wagen sah man in einiger Entfernung den Läufer springen,
in rother Jacke, kurzen weißen Beinkleidern und einem schwarzen Sammtbarette, worauf eine
mächtige Straußfeder prangte, in der Hand eine Pritsche, womit er entgegenkommende Fuhrwerke
auf die Seite wies, um der nachkommenden Herrschaft Platz zu machen. Der Herr selbst saß in der
Regel allein im Wagen, mit einem schwarzen Talar, auf dem Haupte ein Sammtbarett und auf der
Brust das große goldene Ordenskreuz ...«. U. a. weist unser Autor auch darauf hin, wie der
Schalksnarr bei geladenen Gästen für Heiterkeit zu sorgen hatte. Die Zehntpflicht wurde den Bauern
stets mit einer Gegengabe (etwa Brot gegen Trauben) vergolten. Zweimal im Jahr, so war es
Brauch, hatten die Malteser die Frauen des ganzen Kirchspiels im Schloß zu bewirten: einmal zur
Kirchweih und zum andern nach beendeter Weinlese. Auch hier hatte der Narr sein Bestes zu leisten
. Reich beschließt dies Kapitel mit dem Vermerk: »Mit der Aufhebung des Ordens [im Zug der
Säkularisation] aber hörte Alles auf, und die betreffenden Gemeinden erhielten nach langwierigen
Prozessen endlich vom Staate eine Abfindungssumme von neuntausend Gulden« (etwa 270.000
DM entsprechend).
Unser Wanderer besucht nunmehr die Beichengegend, »wo der alte Winter noch ungestört sein
Schläflein macht [Reich war am 9. Mai in Freiburg aufgebrochen], wenn unten schon lange der
Frühling eingezogen. - Diesmal hatte jedoch der Uberlästige bereits das Feld geräumt und kaum an
den höchsten Kuppen und Bergklüften eine weiße Spur seines Daseins hinterlassen. - Wahrlich, es
ist ein innerlich wohlthuendes Gefühl, wenn man aus den geräuschvollen Straßen und Märkten der
Rheinebene heraufsteigt zu dieser friedvollen, großartigen Ruhe des Hochlandes. - Der Himmel
hatte sich etwas aufgehellt, und die Sonne überschaute groß und warm die Thäler und Wälder.
Nicht lange aber, so zogen wiederum Gewölk und Nebel, gleich den Colonnen eines geisterhaft
flüchtigen Heeres über die menschenleeren Haiden, und der Gedanke an ein schützendes Dach und
etwas zur Herzstärkung verdrängte jedwede andere Betrachtung ... endlich fand ich, was ich suchte
, nur so viel ist mir noch erinnerlich, daß der Imbiß und das Glas Wein, kredenzt von der Hand
eines schlanken, stillen schwarzwälder Kindes, welches verständig und sinnend aus seinen schwarzen
Augen lugte, dem Gaste trefflich schmeckten. — Um mir einen Begriff von der Höhe meines gegenwärtigen
Standpunktes zu geben, erzählte der Wirth, daß oft gegen Ende Oktober die Herren
von Staufen und der Umgegend zu ihm kämen, um reife Kirchen zu essen ...«. Reich gibt sich hier
als ein bewährter und behaglicher Reiseschriftsteller, ganz im Stil seiner Zeit, manches erinnert
wohl auch an den produktiven Josef Bader und seine »Badenia«.
»Draußen hatte es sich unterdessen wieder etwas freundlicher gestaltet, und ich säumte nicht länger
, meinen Gebirgsübergang fortzusetzen. Nachdem man die Wasserscheide des westlichen und
südlichen Schwarzwaldes überschritten, geht es allmählig abwärts, dem hinteren Wiesenthal entgegen
, wo uns bei Utzenfeld des Feldbergs bewegliche [!] Tochter... ihre Grüße bringt. Wer am schönen
Tage dieses Thal durchwandert, wird unwillkürlich an Hebels liebüche Muse erinnert ...«.
Reich besucht Schönau und wandert von da in »den wildesten Schwarzwald«, durchs Prägtal zuerst
St. Blasien zu und hernach durchs Albtal und ins Hauensteinische.
Doch blätter wir zurück und stöbern noch in seinem Reminiszenzen. So etwa angesichts des
Dreißigjährigen Krieges mit seinen Verheerungen auch in unserer Gegend: »Ein Menschenleben
galt dazumal wenig. Es wurden oft Bürger in den Städten, Bauern im Felde, Hirten, reisende Kaufleute
erschlagen, mir nichts, dir nichts, ohne daß ein Hahn nach ihnen gekräht hätte. Zuweilen wurden
die Leute, und zwar von beiden kriegführenden Parteien gleich, 'so unmenschlich behandelt,
daß Alles in die Wälder fliehen mußte'. Viele Kinder wurden auf der Flucht geboren und getauft im
Walde, in Kohlhütten [= Köhlerhütten] und auf freiem Felde; und nicht selten setzte es in den Häusern
der Quartierträger blutige Händel ab.« Oder mehr Chronikales: »In Folge einer Mißärnte und
der vielen Einquartierungen war im Jahre 1630 große Theuerung entstanden. Der Wein jedoch war
gerathen und sehr wohlfeil.« Und: »Neue Kriegsunruhen brachten die siebenziger Jahre des siebenzehnten
Jahrhunderts ... Aus jenen Zeiten finden wir verzeichnet, daß dem 'Waldhans' 3 Batzen
verehrt worden sind, 'weilen er einen Bären geschoßen'; ebenso dem 'Hasengrunder' von zwei
Wölfen 6 Batzen, den Schützen von Kirchhofen für sechs erlegte Wölfe 18, denen aus dem Münsterthal
für drei solcher Raubthiere 9 Batzen.«
Anekdotisches fügt sich nicht minder geschickt mit ein: »Es wird erzählt, daß bei dem ersten
Rheinübergang unter Moreau im Jahr 1796 allerlei überrheinisches Gesindel bei der französischen
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