http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-01/0109
stärkten im städtischen Exil die pietistisch-konservative Grundstimmung. Einer - der
erwähnte Vonbrunn - ging nach Beuggen. Im Gegenzug bewarben sich auch Badener
um die freigewordenen Stellen. Da es in Baselland kein fixiertes Bekenntnis gab und die
freisinnige Kantonsregierung kaum große Frömmigkeit verlangt haben wird (das Wahlrecht
lag allerdings bei den Gemeinden), meldeten sich teilweise seltsame Gestalten.
Nach wenigen Jahren bestand das Ministerium von Baselland aber wieder fast ausschließlich
aus frommen Städtern: wenigstens auf kirchlichem Gebiet war man, trotz des
Unterbruchs, der Tradition treu geblieben. Die um 1833 neu ins Land Gekommenen
wurden entweder nicht bestätigt oder gingen freiwillig. Aus Baden waren dabei: Carl
Specht von Prechtal, 1833 bis 1839 Pfarrer in Ziefen, später in Rötteln, Karl Friedrich
Stolz von Dietlingen, 1835 bis 1840 Pfarrer in Rümmlingen, Johann Friedrich Karl Louis
Schleip, zwar kein Badener, 1852 aber Vikar in Rötteln, dann bis 1842 Pfarrer in Binningen
, und einige Vikare.
Bis heute hat es immer wieder Badener im Kirchendienst von Baselland und Basel-
Stadt gegeben, während Schweizer als badische Pfarrer die seltene Ausnahme bildeten.
Zahlen- und bedeutungsmäßig sind aber die Verhältnisse der ersten Nachreformationszeit
und der Erweckungsbewegung nie mehr erreicht worden.
Kirchenpolitik und Fakultäten
Bekanntlich studierten die Badener im 17. und 18. Jahrhundert nicht in Basel. Kaum
verfügten sie aber mit Heidelberg über eine eigene Fakultät, wurde Basel wieder für die
Theologen zum Anziehungspunkt. Der Grund dieser paradoxen Entwicklung liegt darin
, daß Heidelberg - auch Zürich und Bern - als rationalistische Hochburgen galten, besonders
Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761-1851) genoß bei den Erweckten ein
schlechtes Urteil. In Basel stand einzig Wilhelm Martin Leberecht De Wette (1780-
1849), ursprünglich auch Dozent in Heidelberg (1807-1810), im Ruf, ungläubig zu sein.
Trotzdem fand er sich in gewissen Bereichen mit Spittler. De Wertes Aufnahme in den
Basler Kirchendienst führte noch einmal zu Diskussionen um das Basler Bekenntnis von
1534 (1827), dessen Gültigkeit relativiert wurde. Die großen Kämpfe um Ordinationsge-
lübde und Apostolikum fanden, wie in Baden auch, erst um 1860 statt. In beiden Staaten
setzten sich die Liberalen durch, die Erweckungsbewegung, welche um die Jahrhundertmitte
noch tonangebend gewesen war, wurde zur Minderheit. Die später wieder erfolgreichen
sogenannten Positiven sind nicht ohne weiteres mit der Erweckungsbewegung
gleichzusetzen, im übrigen differenzierte sich das kirchliche Parteienspektrum nach
1900.
Auch Basel als fromme Alternativfakultät verlor, je älter das Jahrhundert wurde, desto
mehr an Bedeutung. Nachfolger De Wettes wurde der kämpferische Schaffhauser Münsterpfarrer
Georg Daniel Schenkel (1813-1885). Er galt als Pietist, wollte sich vermutlich
aber bei allen Richtungen beliebt machen, war ein nicht sehr origineller Vielschreiber
und ein Schmähredner obendrein. Schon 1851 wechselte er nach Heidelberg, trotz Versuchen
der Basler, den Großherzog unter Berufung auf das Bürgerrecht seiner markgräflichen
Ahnen zu bewegen, ihn hierzulassen. Als Reformierter war er den erweckten lutherischen
Konfessionalisten suspekt, obwohl seine Herkunft von Basel ein frömmigkeitsmäßiges
Unbedenklichkeitszeugnis darstellte. Mit seinem 1864 erschienenen »Charakterbild
Jesu« imitierte er David Friedrich Strauss etwas unvollkommen, was ihm von
Seiten dieses damals berühmt-berüchtigtsten Theologen Deutschlands den Ubernamen
»ein Halber« eintrug.
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