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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 1.1985
Seite: 155
(PDF, 34 MB)
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hebliche Rolle gespielt. Dazu kam der »Ausbruch« der Reformation, deren Kult auf der
deutschen Sprache beruhte, der Volkssprache, in der nunmehr vor allem das Neue Testament
gepredigt und populär gemacht wurde. Dabei hat die schweizerische Reformation
Zwingiis gerade in den angrenzenden süddeutschen Ländern eine ungeheure Wirkung
gehabt. Erst jetzt beginnt man, diese Einflüsse ernsthaft zu untersuchen. Unter dem modernen
Eindruck einer »Staatsgrenze«, die damals keineswegs existiert hat, und unter
dem Einfluß eines auf große Mehrheiten fixierten Denkens, diese Mehrheit war lutherisch
, hat man in Deutschland übersehen, daß auch Geistesgeschichte weht, wie sie will.
Kurzum, die Reformation Zwingiis hat in den nördlich an die Eidgenossenschaft angrenzenden
Gebieten wegen der politischen Komponenten, die sie unter schweizerischen
Verhältnissen zwangsläufig bekommen mußte, eine bis heute zu wenig beachtete
Wirkung gehabt. Es war einmal die Ablehnung des Söldnerwesens, der bezahlten Totschlägerei
auf der einen und der Förderung einer vom Ausland bezahlten Führungsschicht
, die mit dem Solddienst das Blut der ihr eigentlich anvertrauten jungen Landsleute
vergoß (und damit ihren eigenen Reichtum mehrte) auf der anderen Seite. Dahinter
stand die Idee, daß die in den XIII alten Orten vom Volk in die Führung der Staatsgeschäfte
Berufenen dafür verantwortlich seien, das Staatswesen zu verpflichten, daß die
reine christliche Lehre nach der Bibel, und nur nach ihr verkündet werden könne. Die
Vorstellung, daß das Volk den Staat ausmache und nicht allein die Obrigkeit, hat dabei
selbstverständlich auch gezündet, eine Vorstellung, die Luther noch fremd sein mußte,
in der Eidgenossenschaft jedoch schon über 200 Jahre Geltung hatte. (Daß später auch
dort ein absolutistisches Denken und Handeln in verschiedenen Oberschichten, vor allem
im 18. Jahrhundert, Platz gegriffen hat, steht auf einem anderen Blatt.)3

Mindestens ebenso wichtig war aber die Einführung des römischen Rechts im Deutschen
Reich und die Tatsache, daß die Eidgenossenschaft diesen Schritt nicht mitgemacht
hat.6

Die Juristen hatten schon seit langem zum Studium der Jurisprudenz die Universitäten
in Frankreich und Italien aufgesucht und dort ihre Diplome geholt. Das Kirchenrecht
beruhte ohnehin auf römisch-rechtlichen Vorstellungen. Deshalb war die offizielle Einführung
des römischen Rechts auch im Staatsbereich nur noch der Schlußpunkt einer
Entwicklung zur Stärkung der staatlichen Macht hin zum Absolutismus.

Durch das Sachenrecht wurden vor allem der Handel und die Städte als Sitze der größeren
Wirtschaftsunternehmungen begünstigt. Im gleichen Maße benachteiligt waren
die Bauern, die sich noch auf altes Gewohnheitsrecht zu stützen pflegten und dann im
Streitfall den Kürzeren zogen. Zudem war durch dieses Rechtssystem das eigene selbstverwaltete
Gerichtswesen weitgehend außer Kraft gesetzt. Nun mußte man sein Recht
an anonymen, weit entfernten Gerichten suchen, in unendlichen Zügen von Instanz zu
Instanz, vor Richtern und Juristen, deren Sprache man nicht verstand. Die Tätigkeit des
Richtens verselbständigte sich zu einem eigenen »Gewerbe« der Juristen. Ein Rechtsstreit
konnte sich über Jahre hinziehen und kostete unmäßig viel Geld und Zeit, u. a.
durch Reisen, die sich der kleine Mann ohnehin nicht leisten konnte. Kurz, die Forderung
der Bauern, Doctores im Rechtswesen ganz abzuschaffen, war mehr als verständlich
. Das neue Rechtssystem begünstigte einseitig die Herrschenden, den Adel, die Banken
und Reichen, die Grund- und Landesherren. Und dazu gehörten ja auch eine Menge
Bistümer, Abteien, Klöster, also kirchliche Herrschaften.7)

Es ist vielleicht nicht unangebracht, hier darauf aufmerksam zu machen, daß es die ältesten
der modernen Demokratien sind, die am spätesten oder formal überhaupt nicht
dieses römische Recht eingeführt haben: Großbritannien,8^ die Schweiz und die skandinavischen
Länder.

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