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König von England, Heinrich VIII., den Mann ganz in seine Dienste zog, der ihm jeden
Einfall persönlicher Eitelkeit und jeden Wunsch nach luxuriöser Pracht so abwechslungsreich
erfüllen konnte. So wurde aus Holbein nicht nur der Hofmaler, sondern auch
ein Hofjuwelier, Leib Schneider und Architekt. Auf den Bildnissen des Königs in Wind-
sor ist alles, was der König trägt, von Holbein entworfen. Die Stoffmuster finden sich
auf den einzelnen Zeichnungen wieder, die Knöpfe, Ketten, Ringe, Anhänger und
Agraffen tragen den Stempel Holbeinscher Kunst.
Mit dem im großen Format ausgeführten Entwurf für einen mächtigen Kamin im
Schlosse zu Whitehall tritt uns der Meister als Innenarchitekt entgegen. Diese Meisterleistung
wird nicht das einzige gewesen sein, was Holbein auf diesem ihm so nahe liegenden
Gebiet geschaffen hat, denn daß er mit Freude jede Gelegenheit ergriff, um das in
Wirklichkeit zu bauen, was er ehedem aufs Papier phantasierte, hegt bei Holbeins praktischer
Art auf der Hand.
Konnte er sich in seiner Basler Zeit dem Holzschnitt, als feinsinniger Illustrator der
Buchdekoration (siehe »Lob der Narrheit« von Erasmus von Rotterdam) und den Entwürfen
von Scheibenrissen widmen, so findet er mit Zeichnungen für die Goldschmiede
in London ein reiches Betätigungsfeld.
Das »Genie« Holbein meisterte jede Form und beherrschte, was so selten vorkommt,
gleichermaßen das kleinste wie das größte Maß.
Hans Holbein in Basel
1497/98 in Augsburg geboren, kam er mit seinem Bruder Ambrosius 1515 nach Basel.
In Augsburg hatte er als Maler in der Werkstatt seines Vaters gearbeitet.
Basel, in das der Künstler zukunftsfroh einzog, befand sich in jenen Jahren auf der
Höhe seines Glanzes. Eine reiche Kaufmannschaft saß dort, man fand Gefallen an malerischem
Prunk und Entfaltung von Pracht.
1460 war in Basel die erste Universität der Schweiz gegründet worden und zu einer Art
Asyl, einem »domicilium musarum« für die berühmtesten europäischen Gelehrten geworden
.
Die Vorboten der Reformation wurden überall vertrieben. Namen wie Geiler von
Kaysersberg, Reuchlin, Sebastian Brant, Beatus Rhenanus und Erasmus von Rotterdam
sind eng mit der Basler Hochschule verknüpft. Erasmus ließ sich 1521 ganz in Basel nieder
. Hand in Hand mit dieser internationalen Gelehrtenrepublik entfaltete sich das
Buchdruckergewerbe. 1474 ist das erste dort gedruckte Buch datiert. In Basel entstand
die erste Papiermühle Deutschlands. Hier saßen die berühmten Buchdrucker Cratander,
Langendorf, Amerbach, Froben und Gengenbach. Für einen phantasievollen, jungen
Zeichner war zahlreiche Gelegenheit zum Geldverdienen gegeben.
1519 schreibt man Hans Holbein d. J. als Mitglied in die Basler Malerzunft »zum
Himmel« ein.
1520 heiratete er die Witwe des in der Schlacht von Marignano gefallenen Lohgerbers
Schmidt, Elsbeth Schmidt.
Seit 1523 nahm die Reformation in Basel guten Fortgang. 1525 hatte die radikale Reformationspartei
schon Anschläge mit Bildersturm und Kirchenplünderung gemacht. Es
war eine unruhige Zeit in Basel, und das hatte gerade Holbein zu empfinden, denn es
stockten die Aufträge für die Malerei. Die Ausmalung des Rathauses war im Frühjahr
nicht wieder aufgenommen worden, zu Kirchenbildern bot sich mit dem Eindringen der
neuen Lehre immer seltener Gelegenheit.
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