http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-02/0114
Court zur Nachtzeit umgehen.
Wenige Monate vor dem Ableben Holbeins heiratete Heinrich Lady Katherine Parr,
die Witwe des Lord Latimer. Hans Holbein scheint die Königin nicht mehr gemalt zu
haben. Eines der letzten Werke des Künstlers ist ein großes, figurenreiches Bild, das
Heinrich VIII. darstellt, der den Obmännern der vereinigten Barbier- und Chirurgengilde
ihren Freibrief verleiht.
Holbeins Testament und sein Tod im Jahre 1543
Im Jahre 1543 malte Hans Holbein noch einmal sich selbst, im Alter von fünfundvierzig
Jahren. Während der Regierung Heinrichs VIII. hatten mehrere verheerende Seuchen
in London geherrscht, die heftigste wütete zu Michaelis 1543.
»Dies Jahr war in London ein großes Sterben an der Pestilenz«, berichten die Chroniken
von Hall und Stow. Als gerade die Seuche ihren Höhepunkt erreicht hatte, starb
Hans Holbein an der Pest.
1861 wurde in den Archiven der St.-Pauls-Kathedrale das Testament des Malers entdeckt
. Seine hastige und formlose Abfassung machten es wahrscheinlich, daß es von einem
Pestkranken herrühre.
Es lautet so:
»Im Namen Gottes des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes thue ich, John Holbein,
Diener seiner Majestät des Königs, zu wissen dies mein Testament und letzten Willen,
daß alle meine Habe verkauft soll werden und auch mein Pferd, und ich will, daß meine
Schulden bezahlt werden sollen, nämlich zuerst an Mr. Anthony, des Königs Diener,
von Greenwich, im Betrage von zehn Pfund, dreizehn Schilling und sieben Pence Sterling
. Und ferner will ich, daß er befriedigt werden soll für alle andern Dinge zwischen
ihm und mir. Item, ich schulde Mr. John of Anwarpe, Goldschmied, sechs Pfund Sterling
, die, so will ich, ihm auch bezahlt werden sollen mit der ersten Schuld. Item ich vermache
für den Unterhalt meiner zwei Kinder, die in Pflege sind, für jeden Monat sieben
Schilling und sechs Pence Sterling.
Zum Zeugnis dessen habe ich besiegelt und besiegelt dies mein Testament den 7. Tag
Oktobers, im Jahr unsers Herrn 1543.
Zeugen: Anthony Snecher, Waffenschmied,
Mr. John of Anwarpe, Goldschmied,
vorgenannt, Ulrich Obynger, Kaufmann,
und Harry Maynert, Maler.
Plötzlich und unvermutet, unbarmherzig trat der Würger Tod an ihn heran, wie er ihn
oft in seinen Holzschnittfolgen geschildert hatte. Kaum blieb ihm die Frist, in wenigen
abgerissenen Worten seine letztwilligen Verfügungen zu treffen. Im blühenden Mannesalter
raffte ihn die Seuche hinweg, und eine Fülle von Plänen und Hoffnungen ward mit
ihm begraben. Holbein wurde einmal der »Meister der Distanz« genannt. Er hatte Abstand
von der Kindheit, der Geburtsstadt nehmen müssen, von der Heimatstadt Basel,
von Frau und Kindern.
Fern vom Vaterland und den Seinen mußte er sterben. Es war ihm nicht gegönnt, wie
etwa Dürer in seine Heimatstadt zurückzukehren, um dort zu sterben.
Ein Jahrhundert nach seinem Tode konnte der Holbein-Verehrer, der Earl of Arun-
del, schon nicht mehr die Stelle finden, an welcher der Meister Hans Holbein ruhte.
So ist denn geheimnisvoll die Ruhestätte dieses dunkeln Menschenlebens; in der düsteren
Tragik eines frühen, jähen, scheußlichen Todes ist es abgebrochen - sein Werk
aber lebt weiter.
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