Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 2.1985
Seite: 116
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-02/0118
Die Namen der Frauen sind uns bekannt: Kunigundis, Mechtundis und Wibrandis,
die drei Mägde, Jungfrauen, so sagt die Mär, werden bis auf den heutigen Tag in Eichsei
als Patroninnen verehrt. Der legendäre »Mägdebrunnen« am Weg zwischen Obereichsel
und dem untergegangenen Raperswyl (Adelhausen?), ihn gibt es nicht mehr. Doch die
Legendenbildung, sie lebt, in Stein gehauen, plastisch weiter. Im Ortskern von Eichsei,
an zentraler Stelle, nahe der alles dominierenden St. Gallus-Kirche, umgrünt, mit Blick
auf das alte Pfarrhaus und das neu erstellte Gemeindezentrum, entstand im Jahre 1977
die Geschichte neu: Als Nachfolger der sagenumwobenen Jungfrauenquelle und des
Mägdebrunnens gibt ein neuer Jungfrauenbrunnen dem Maienplatz sein Gepräge. Drei
sechseckige Brunnentröge, um den Brunnenstock angeordnet, nehmen das Wasser auf,
das auch bei diesem Brunnen die Seele ist. Der Brunnenstock mit drei Wasserausläufen
und einem figürlich behandelten Obelisken wird von einer Brunnenfigur gekrönt, die,
als Triade gestaltet, die drei Jungfrauen Kunigundis, Mechtundis und Wibrandis zur
Einheit verschmolzen hat. Die strenge geometrische Grundkonzeption der Brunnenanlage
geht bei der Skulptur aus Muschelkalk bruchlos in eine archaisch wirkende verhaltene
Lebendigkeit über, die Anmut und Würde miteinander verbindet.

Die Brunnenanlage mit einer Breite von rund sechs Metern und einer Gesamthöhe von
fast vier Metern ist das Werk des in Eichsei lebenden Malers und Bildhauers Paul Iben-
thaler. Es ist eine einzigartige Hommage an seinen Wohnort. Mit diesem künstlerisch
gestalteten Jungfrauenbrunnen, der die Erinnerung an die Legende und das darin »versteckt
Geschichtliche« festhält, hat Eichsei einen Mittelpunkt erhalten, der die jahrhundertealte
Tradition der Jungfrauenverehrung auf dem Dinkelberg in zeitlos-gültiger
Form zum Ausdruck bringt.

Die Entstehung des Brunnens geht auf einen Wettbewerb der Stadt Rheinfelden zurück
. Die Kommune stand im Wort, denn im Rahmen der Eingemeindungsverhandlungen
hatte sich die Gemeinde Eichsei als Morgengabe auch einen Brunnen ausbedungen.
Drei Rheinfelder Bildhauer gingen ans Werk. Ibenthaler, der in dieser Arbeit weniger eine
gewinnbringende Tätigkeit als einen idealistischen Einsatz sah, und an seinem Wohnort
etwas entstehen sehen wollte, das ihm passend und richtig erschien, bekam den Zuschlag
.

Als Grundidee seines überzeugenden Entwurfes stand fest:

1) Die Verbindung vom Brunnen zum Dorf darf nicht abreißen; es mußte ein »Dorfbrunnen
« sein, kein exaltiertes Brunnengebilde. Die architektonische Einbindung in
das Ortsbild war die primäre Grundforderung

2) Form und Dimension des Brunnens müssen mit der Umgebung (Kirche, Pfarrhaus)
in einem harmonischen Verhältnis stehen

3) Bezugnahme auf die Legendenfiguren war eine weitere Grundvoraussetzung - und
eine formal interessante Aufgabe.

Ibenthalers gestalterischer Ausgangspunkt ist die im Markgräflerland typische
Grundform mit Brunnenstock und Brunnenbecken; als Aufsatz dient ihm ein Obelisk,
aus dem er die Figurengruppe entwickelt. Damit geht der Bildhauer einen Schritt über
die dörflichen Brunnen hinaus. (Nur, daß sein Obelisk nicht vier-, sondern dreiseitig
sein mußte aufgrund der thematischen Vorgabe der drei Mägde). Sind figürliche Brunnen
ansonsten eher unüblich, so dokumentiert der Eichsler Jungfrauenbrunnen doch ein
in unserer Zeit oft vernachlässigtes kulturhistorisches Bewußtsein. Und Eichsei mit seiner
Legende ist allemal eine Art Ausnahmezustand!

In seiner Gesamtgestalt hat Ibenthalers Entwurf über die funktionale Form hinaus unverkennbar
ästhetische Qualitäten. In seiner Formensprache, die in der geschlossenen
Architektur des Obelisken einige wesentliche krafterzeugende Elemente im Figurativen

116


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-02/0118