http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-02/0179
kes. Doch weisen neuere Funde und Forschungen darauf hin, daß die Vorfahren der später
Kelten genannten Sprachgruppe vielleicht schon seit der frühen Bronzezeit (ab 1800
v. Chr.) den Raum zwischen Ostfrankreich und Böhmen sowie zwischen mitteldeutschem
Gebirgsland und nördlichen Voralpen besiedelt hatten. Von der mittleren Bronzezeit
an breiteten sich diese 'Urkelten' dann in mehreren Wellen nach Westeuropa (Gallien
, Britannien) aus, nach ihren Bestattungsriten zuerst als Hügelgräberkultur, danach
als Urnenfelderkultur der späten Bronzezeit (1500 bis 1250 und 1250 bis 800 v. Chr.).
Das eigentliche Keltentum (nach archäologischen und sprachwissenschaftlichen Kriterien
) wird aber erst in der Periode der Hallstattkultur (800 bis 500 v. Chr.) mit der Einführung
und Verbreitung des Eisens erweisbar, die von ihrem Zentrum in Oberösterreich
über den größten Teil des nun weitgedehnten keltischen Sprach- und Kulturgebietes
ausstrahlte.
Die nachfolgende Latene-Periode, eine Zeit sozialer und kultureller, künstlerischer
und religiöser Differenzierung, wurde dann für die Kelten des Kontinents die letzte große
Blütezeit im eigenen Sprachraum. Die während dieser Phase erfolgten Ausgriffe und
Invasionen nach Südfrankreich, auf die iberische Halbinsel, nach Irland, Oberitalien
und in die Donauländer, auf den Balkan, nach Griechenland und Kleinasien sind in der
Literatur des Altertums vielfach bezeugt.
Gegen Ende der Latenezeit scheint sich jedoch die physische Kraft dieses Volkes erschöpft
zu haben: Die allmähliche Zurückdrängung durch die Germanen im Norden
und die etappenweise Eroberung fast aller keltisch sprechenden Länder im Westen, Südwesten
und Südosten Europas durch die Römer stützen diese Annahme. Trotzdem kann
eher von einer 'positiven' Anpassung als vom Untergang der keltischen Kultur und Religion
gesprochen werden. Denn seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. hatte sich in den dem Imperium
einverleibten Ländern eine keltisch-römische Mischkultur (im Westen gallo-ro-
manische Kultur) entwickelt, deren Sprache zwar vorwiegend lateinisch war, deren Fundament
aber aus der keltischen Tradition bestand.
Im Gegensatz hierzu konnten sich bei den Inselkelten in England, Schottland und Irland
, aber auch in der Bretagne die ursprünglichen Idiome, und damit altes Kulturgut
zum Teil bis heute erhalten.
77 Bis ins Mittelalter
Der Sprachforscher W. Kleiber schreibt in seinem Aufsatz 'Auf den Spuren des voralemannischen
Substrats im Schwarzwald': »Die Bevölkerungsgeschichte des heute
deutschsprachigen Südwestens in voralemannischer Zeit steckt noch voller ungelöster
Probleme. Wir wissen, daß Südwestdeutschland ursprünglich keltisch war. Ende des 2.
oder zu Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr. wurden die Helvetier von nach dem Süden
drückenden germanischen Stämmen über den Rhein gedrängt ... Zur Zeit Caesars war
also der Rhein zur Grenze zwischen Germanen und Kelten bzw. dem römischen Machtbereich
geworden ... In der nachcaesarischen Zeit wandern rechtsrheinische Germanenstämme
nach Osten und Westen ab ... Eine neue Phase leitet die römische Besetzung der
'agri decumates', unter Vespasian (73/74) und Antoninus, ein. Nach dem Abzug, zuerst
von Kelten, dann von Germanen, muß auf rechtsrheinischem Gebiet ein mehr oder weniger
siedlungsleeres Gebiet entstanden sein. Das neu besetzte Gelände wird denn auch
mit Siedlern aus Gallien aufgefüllt, wie Tacitus (Germania, Kap. 29) berichtet... 260 war
nach dem Fall des Limes der Rhein erneut Grenze geworden. Dem Spätrömertum gelang
es, die Rheingrenze im großen und ganzen noch fast 2 Jahrhunderte zu halten. Zwischen
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