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denkmäler verraten ein ausgezeichnetes meßtechnisches Können.« Das komplexe und
differenzierte Wissen ihrer Nachfahren, der keltischen Druiden, wie es antike Schriftsteller
oft erwähnt haben, zeugt von der langen Dauer dieser Tradition. Am deutlichsten
zeigt es sich in der Gestaltung des keltischen Sonnenkalenders.
Der Kalender
Für viele ihrer Feste benutzten die Kelten einen Mondkalender zu 29 oder 30 Tagen,
der in dreijährigem Rhythmus durch Einschaltung eines dreizehnten Monats mit dem
Sonnenkalender kombiniert wurde. Nach den Berechnungen von A. Thom begann das
Sonnenjahr der Megalithzeit mit dem Frühlingsäquinoktium. Es wurde in sechzehn Abschnitten
zu 22 oder 23 Tagen so aufgeteilt, daß die vier wichtigsten Daten, nämlich die
Solstitien (Mittwinter, Mittsommer) und die Äquinoktien (Tagnachtgleichen von Frühling
und Herbst) als feste Kalendermarken hervortraten. Die Kelten fügten zu diesen
Koordinaten vier weitere Daten hinzu, die jedoch nur annähernd eine Achtteilung ergaben
: Anfang Mai Beltene, Anfang August Lugnasad, Anfang November Samuin und
Anfang Februar Imbolc.
Das System der Beichenberge
Ähnlich den vorzeitlichen Bergsonnenuhren bei Hallstatt, die wahrscheinlich nicht
nur den Tages-, sondern auch den Jahreslauf der Sonne anzeigten, muß es sich bei den
Beziehungen der Belchen-Berge in Schwarzwald, Jura und Vogesen um ein großräumiges
, korrespondierendes Beobachtungssystem für den Sonnenkalender gehandelt haben.
Die Visierlinien über die Beichengipfel markieren eindeutig Stationen des Sonnenjahres
mit seinen wechselnden Vegetationsperioden, deren Gewicht für Leben und Uberleben
einer Agrargesellschaft unserer Breiten kaum richtig eingeschätzt werden kann. Diese
elementare Abhängigkeit erklärt Notwendigkeit, Nutzen und Ansehen eines besonderen
Standes von 'Wissenden', der mit seinen Erfahrungen und Einsichten in die Gesetzmäßigkeiten
der Natur Lebensweise und Charakter eines Volkes vom wirtschaftlichen
bis zum religiösen Bereich prägte. Auffindung und Zuordnung, also die Entdeckung der
Kongruenz solarer Kardinalpunkte mit bedeutenden Erhebungen in den Mittelgebirgen
um den südlichen Oberrhein durch die Druiden hatte dann zur Einrichtung eines Systems
von Bergvisuren geführt, dessen wichtigste Aspekte im folgenden nachvollzogen
werden:
Als Hauptbeobachtungspunkt diente der Elsässer Belchen, von dem aus bei klarer
Sicht die Sonnenaufgänge zum Mittsommer über dem Kleinen Belchen, zur Zeit der Tag-
und Nachtgleichen über dem Schwarzwaldbelchen und zum Mittwinter über dem Jura-
belchen verifiziert werden konnten. Umgekehrt waren auch - unter Berücksichtigung
einer Verschiebung von wenigen Tagen - die entsprechenden Sonnenuntergänge von den
genannten Aufgangsbergen aus über den Gipfel des Elsässer Belchens anzuvisieren. Natürlich
kam auch dem höchsten der fünf Belchen kalendarische Bedeutung zu. Denn die
Visierünie vom Großen zum Elsässer Belchen ermöglichte die Bestimmung zweier typisch
keltischer Jahresfeste, dem Neujahrstag Samuin, in christlicher Zeit zu Allerheiligen
geworden, und dem Beltene-Fest, dem später die Walpurgisnacht vorausging, als
dem Beginn der Kulminationsphase der Sonne. Wäre noch der keltische Name des Blauen
am Südwestrand des Schwarzwaldes bekannt, so ließe sich eine weitere Visierlinie
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