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Neben seinen kunsthistorischen und historischen Studien interessiert sich Burckhardt
immer wieder für kleine »oberländische Themen«, wie etwa für die noch ausstehende
Hochzeit zwischen dem Sohn des Grenzacher Hörnliwirts Vogelbach und der Tochter
des Haltinger Hirschenwirts Beck. So schreibt er am 3. Dezember 1880 an Preen: »Die
Ehe zwischen Vogelbach Sohn auf dem 'Hörnli' und der Tochter unseres Beck in Haltingen
, um auf ein oberländisches Thema zu kommen, ist noch immer nicht vollzogen, soll
aber nächstens geschehen. Diese Verbindungen unter Wirtsleuten verlangen so viele echt
dynastische Politik wie manche fürstliche. Man sagt, Vogelbach werde sich dann mit seiner
Alten ins obere Stockwerk retirieren, lose Leute aber fragen: warum nicht Heber ins
Souterrain zu den guten Weinfässern«16'. Diese Hochzeit hat dann auch tatsächlich stattgefunden
, und im »Toten- und Beerdigungsbuch« von Grenzach ist über 50 Jahre später
unter dem 27. Oktober 1937 der Tod von »Frau Emma Vogelbach geb. Beck aus Haltingen
« verzeichnet.
In einem Brief vom 4. November 1883 erwähnt Burckhardt dann wieder Carl Beck
und den »Hirschen«, wobei er auch noch auf den bevorstehenden Bahnhofsbau in Weil/
Leopoldshöhe hinweist: »Das Oberland ist immer noch das Alte und ich trage regelmäßig
meine Sonntagsgroschen dorthin und bleibe, staatsökonomisch gesprochen, ein
schlechter Schweizerbürger. Beck in Haltingen hat an diesen Spätherbstsonntagen sein
ganzes Haus 'kraglig' voll. Ich meinerseits ziehe die Route Grenzach - Degerfelden vor,
weil man auch des Nachts noch sicher zu Fuß heimgelangt, indem bis nach acht Uhr die
Straße noch immer belebt ist, während Leopoldshöhe - Basel in der Nacht für einen Einzelnen
eher unheimlich wirkt«17'.
Dies wird sich allerdings bald geändert haben, denn schon ein Jahr später berichtet er
Preen von dem geplanten Bahnhofsbau in Weil: »Lörrach freut sich jetzt darauf, daß von
der Leopoldshöhe direkt hingebaut werden und Basel abgeschnitten werden soll! Wir
hier grämen uns einstweilen wenig, weil wir wissen, daß die badische Bahn den belebtesten
Bahnhof, welchen sie hat, nämlich den hiesigen, nicht kann in Ungnade fallen lassen
, selbst wenn sie wollte«18'.
An Weihnachten 1886 teilt er dann Preen den Tod des Steinener Ochsen wirts Pflüger
mit und hofft, daß der »Ochsen« trotzdem seinem »alten hohen Range« treu bleiben möge
. Seine »kurrentesten Bekannten« seien aber zu jener Zeit »Beck in Haltingen und
Rottra in Küchen; ein paar gute Herren, welche mich über Land mitnehmen, haben an
diese beiden Keller den festesten Glauben«19'. Mit Rottra ist hierbei der Ankerwirt in
Kirchen gemeint, von dem wir wertvolle Erinnerungen an die Revolution von 1848/49
besitzen20'.
Am Pfingstsonntag 1887 berichtet Burckhardt Preen dann, daß bei Beck »alles im alten
Geleise« sei und bei »Rottra dito«21', doch schon zwei Jahre später muß er seinem
Freund den Tod von Carl Beck mitteilen: »In betreff des 'Hirschen' zu Haltingen wurde
neulich unter uns gestritten, ob es wahrscheinlich sei, daß der Vater Beck dem Sohn alle
Mysterien höherer Weinpflege habe mitteilen können oder nicht; er starb an einer
schnellen Lungenentzündung und hatte vielleicht das wahre Arkanum noch geheim behalten
, wie es solche Leute etwa machen. Aber mit jedem Wissenden und Könnenden
sterben ja eine Menge Sachen«22'.
Am Ende der achtziger Jahre stellen sich bei dem 70 jährigen Jacob Burckhardt langsam
die »Plagen des Alters« ein, so daß er immer weniger sein geliebtes »Oberland« aufsuchen
kann:
»Beine und alles Muskuläre täten es schon wie sonst«, schreibt er am 5. Juni 1889 an
Preen, »aber sobald ich nicht langsam gehe wie ein Uhrzeiger, fange ich an zu keuchen
und zu schwitzen. Das Herz sei noch nicht dabei engagiert, sagt der Doktor, aber einst-
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