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sehe Physik der 20er Jahre unseres Jahrhunderts unmißverständlich nachgewiesen. Ich
nehme an, daß die Fragen, die Columban und Gallus, die iroschottischen Mönche überhaupt
, ausgelöst haben, die Forschung und Auseinandersetzung zunehmend beschäftigen
werden. Ich beschränke mich daher auf die Aufzeichnung einiger geschichtlich
nachweisbarer Akzente und stelle, daraus folgernd, Fragen, die zum zeitanalytischen,
theologischen und philosophischen Nachdenken anregen könnten.
2. Biographische und charakteristische Akzente von Gallus und seinen iroschottischen
Brüdern:
Gallus war wie Columban königlicher Abstammung. Der Begriff »adelig« und »heilig
« wurde in der Merowinger Zeit oft gleichgesetzt. Beide genossen als Söhne der Oberschicht
im Kloster Bangor, Nordirland, unter Abt Comgall, der 558 dieses Kloster gegründet
hatte, eine hervorragende Schulung und eine väterliche Erziehung, die Zuneigung
und Gehorsam, Freiheit mit Bindung und Härte gegen sich selbst koppelte.
Die irische Kirche hatte sich in ihrer Struktur von der Hierarchie einer Episkopalkirche
zur Mönchskirche wegentwickelt. Bischöfe waren den Äbten unterstellt. In Franken
sind z. T. wenig spirituell gesinnte Bischöfe, die Macht und Besitz vor Bildung und geistliche
Konsequenz stellten, mit beachtlicher weltlicher Macht ausgerüstet gewesen. In Irland
war weder die Kasuistik röm.-juristischen Denkens zu Hause noch der übertriebene
Respekt vor Amtsautorität. Der Bischof hatte priesterliche Funktionen. Der Abt war
im Zentrum des Geisteslebens die führende, väterlich-geistliche Autorität. Dies entfaltete
innere Freiheit und Kühnheit des Denkens und Handelns, das die iroschottischen
Mönche vielfach auf dem Kontinent missionarisch anwenden konnten und das der
Volksseele der Alemannen entsprach, sie verwunderte und beeindruckte.
Cornelis Los schreibt: »Columban befiehlt seinen Schülern nichts, sondern lobt ihnen
die höchsten Prinzipien und Ideale des Christentums als nachahmenswert«.
Zu den Regeln der iroschottischen Mönchsgemeinschaften gehört natürlich Gehorsam
. Als Mittel der Erziehung wird der Gehorsam dem Vorgesetzten gegenüber empfohlen
, wie Christus, der gehorsam war bis zum Tod. Die Legende erzählt, daß Gallus,
der ein hervorragender Fischer gewesen ist, nicht auftragsgemäß am nahen Bach fischte,
sondern nach seinem eigenen Willen im angrenzenden größeren Fluß. Columban ließ
ihn gewähren und durch die gemachte Negativerfahrung einsichtig werden.
Columban schrieb dem Papst Gregor d. Gr. wegen der Auseinandersetzung über den
Ostertermin - die irische Kirche war in dieser und anderen Fragen mit der morgenländischen
Kirche contra abendländische Kirche einer Meinung. Nach eindringlichen Worten
, sich doch für Friede und Einheit in der Kirche einzusetzen, schrieb er: »Mich wundert
es, daß du mit dem Irrtum der Gallier nicht schon lange aufgeräumt hast!« Wenn er
sich etwa fürchte, damit die Autorität seines Vorgängers Papst Leo anzutasten, so möge
er mit Prediger 9,4 bedenken: »Ein lebendiger Hund sei besser, als ein toter Löwe«. Da
Papst Gregor vor Erledigung starb, schrieb Columban an dessen Nachfolger, Papst Bo-
nifaz IV., folgendes: »Wir aber sind die Schüler des St. Petrus und St. Paulus und aller
Apostel, die durch den Heiligen Geist die Heilige Schrift verfaßt haben; wir, alle Iren,
die als Bewohner des äußersten Endes der Welt nichts außer dem Evangelium und der
apostolischen Lehre anerkennen; wir kannten keine Häretiker, keinen Juden, keinen
Schismatiker, sondern der katholische (allgemeine) Glaube, wie er von euch als Nachfolger
der ersten Heiligen, d. h. der Apostel überliefert worden ist, wurde von uns ungetrübt
gehalten. ... Große Sorge müßt ihr darauf verwenden, daß ihr nicht eure Würde
wegen irgendwelcher Verderbnis verliert! Denn solange wird euch die Macht verbleiben,
solange die wahre Vernunft bei euch herrschen wird, denn der ist gewiß der wahre
Schlüsselbewahrer des Himmelreiches, der Würdigen durch wahre Weisheit zu öffnen
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