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weiß und Unwürdigen zuschließt!« Das zeugt m. E. bei allem Respekt vor dem Papst
von Freiheit des Denkens und geistlicher Uberzeugungskraft. Das entsprach nicht den
imperialistischen Denkstrukturen der Franken, die das Christentum anderen mit Waffengewalt
aufzwangen - s. 746 das Blutbad in Cannstadt gegen die Alemannen und 782
Verden an der Aller gegen die Sachsen. Dies entsprach auch nicht der hierarchischen
Struktur einer Machtkirche.
Gallus war in der Mission nicht zimperlich, obwohl die Iroschotten nie unbiblischen
Bekehrungszwang ausübten, sondern beispielhaft und zeugnishaft gehandelt haben. So
wurde z. B. den iroschottischen Mönchen die Aurelia-Kap eile in Bregenz zum Klosterort
übergeben. Als Gallus in dieser christlichen Kapelle aus der Römerzeit drei vergoldete
heidnische Göttersäulen der Germanen fand, zerschlug er sie und warf sie zum Erstaunen
der Alemannen in den Bodensee. Dies offenbarte zwar die Ohnmacht des germanischen
Polytheismus und zugleich die Leidenschaft, Konsequenz und Kühnheit von Gallus
. Dies war nur ein einzelner Akt eines langen Prozesses der Re-Christianisierung dieses
Raumes, den die iroschottischen Mönche geduldig und konsequent vorantrieben.
Uber viele Jahre war unter den Alemannen Heidentum und Christentum gemischt. Die
Alemannen wurden hauptsächlich durch vorbildliches Leben und anhaltendes Bezeugen
des Evangeliums von Jesus Christus zu Christen. Dabei spielte das Liebesgebot-Matth.
22, 37 - 40 eine überragende Rolle. Interessant ist, daß es unter den Iroschotten keine
Märtyrer gab. Wo die innere Freiheit, Konsequenz und Liebeszuwendung genuinen
Christentums nicht angenommen wurde, wichen die Iroschotten in andere Länder aus
oder mußten fliehen.
Durch folgende Ereignisse wird dies u. a. belegt: Gallus brannte in Tuggen, Schweiz,
eine heidnisch-alemannische Kultstätte nieder. Dies löste Haß aus, dem die Iroschotten
auswichen. Columban erweckte den giftigen Haß der Königingroßmutter Brunecheldis.
König Theoderich IL, seit 595 Herrscher in Burgund, ging bald in den geistig-geistlichen
Zentren iroschottischer Klöster aus und ein, etwa in dem 590 durch Columban gegründeten
Luxeuil in den Vogesen, das bald eine starke Anziehungskraft hatte. Der stille
, segnende Einfluß Columbans zog viele Menschen an. Um 600 berichtet Walarich, es
»seien solche Scharen zu ihm in den Unterricht gezogen, daß die Zahl der Brüder auf 220
angewachsen war«.
Brunecheldis hintertrieb eine gültige Ehe des Königs und förderte dessen Umgang mit
den Konkubinen. Jonas, der Biograph aus Bobbio, schrieb: »..sie befürchtete, daß wenn
der König sich vermähle und eine junge Königin am Hof befehle, ihre Macht und Herrschaft
ein Ende nehmen würde«. Als Columban diesem unchristlichen Treiben ein klares
Nein entgegensetzte, mußte er 610 Burgund verlassen. Die ansässigen Bischöfe versagten
damals in solchen Auseinandersetzungen. Das Kirchenwesen befand sich zu jenet
Zeit in einem schlechten Zustand, denn der Episkopat war nachlässig und sittenlos. Das
Kirchenvolk bedurfte dringend der echten Hinwendung zum biblischen Denken und
genuin christlichen Leben. Dennoch, Dr. Ch. S. Fiechter weist nach, daß die iroschottischen
Klöster Anagrey, Luxeuil, Fontaines, St. Gallen, Disentis, Bobbio, St. Peter in
Salzburg, das Mutterkloster des Schottenstifts in Wien mitten in den damaligen Wirren
Europas, ausgelöst durch die Völkerwanderung und den Prozeß des Zerfalls des römischen
Weltreiches, hinein in die Barbarei und den egoistischen Besitz- und Machthunger
der Germanen deren Christianisierung einleiteten.
Die Klöster bildeten einen Hort hoher Bildung und christlicher Erziehung.
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