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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
48.1986, Heft 2.1986
Seite: 234
(PDF, 45 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1986-02/0236
Sie pflegten den Dreiklang: täglich beten, arbeiten und lesen. Gallus predigte den Alemannen
in ihrer Sprache. Fritz Blanke schreibt 1940 in »Columban und Gallus«: »Vielleicht
darf man sagen, daß Gallus der erste war, der den dem alemannischen Volkscharakter
angepaßten Missionsweg entdeckte«. Sie wirkten durch ihr Dasein und Sosein,
ohne Zwang. Handarbeit, regelmässige Feldarbeit, Brunnen graben, Pflege des Ackerbodens
, Beachten des Kreislaufs der Natur gehörten selbstverständlich zum Alltag der
Iroschotten.

Kunst und Musik waren in St.Gallen zu Hause. Der Benediktinermönch Tutilo, ein
Alemanne in St.Gallen, ein athletischer Typ, der zwei Räuber mit einer Keule niedergestreckt
haben soll, muß nach der Beschreibung von Fritz Blanke ein Universalgenie gewesen
sein — Dichter, Künstler, Architekt. Er entwickelte »Tropen«, d. h. liturgische
Texte und Gesänge, die von Halbchören in Frage und Antwort gesungen wurden - z. B.
Gloriatropen, Introitus, Kyrie. Wolf gang Golther folgerte: »St. Gallen ist die Wiege des
Oratoriums, der Oper und weithin lat. und deutschen geistlichen Dramas geworden,
dank der Tropen des Tutilos«. (Zitiert aus Fr. Blanke, S. 192 f.)

Die iroschottischen Mönche waren Naturverehrer. Sie vertrieben die Tiere nicht, sondern
verwiesen sie an ihren naturbedingten Ort. Daß Mensch und Tier Partner sind, entspricht
der heidnischen Antike und stellt uns heute vor aktuelle Fragen der Schöpfungstheologie
.

Die Legenden um Columban und Gallus sind dafür aussagekräftig genug. Columban
zieht z. B. einen Zaun durch eine Waldpflanzung und sagt seinen Mönchen: Auf der einen
Seite ist der Bereich der wilden Tiere. Was dort wächst, gehört ihnen zur Nahrung.
Auf der anderen Seite ist der Bereich des Menschen, dort holt eure Nahrung. Gallus tritt
Bär und Wolf furchtlos gegenüber. Den staunenden Alemannen soll er gesagt haben, er
verlasse sich auf den Gott, der Daniel in der Löwengrube gerettet habe. Die Legende von
Gallus und dem Bären unterstreicht den biblischen Gedanken, daß Mensch und Tier zur
gegenseitigen Hilfeleistung gerufen sind. Die Heilszuwendungen Gottes gelten Mensch
und Tier. Als Gallus Brüder aus Luxeuil besuchen, fischte er im Bergbach nahe seiner
Zelle. Einen Teil des Fischfangs gab er den Fischottern zurück, den andern Teil den Brüdern
zur Nahrung. Als Columban sich in die Wildnis der Vogesen zurückzog, umgab
ihn plötzlich ein Rudel Wölfe, (s. C. Los, »Keltentum«, S. 113) er rief: »Gott, hilf mir!«
und blieb ruhig stehen. Die Wölfe sollen an seinem Gewand ihre Schnauzen gerieben haben
. Als er ruhig verharrte, verließen sie ihn wieder.

Die Wanderschaft der Iroschotten — Peregrination - war nie vom Gedanken, zu missionieren
, motiviert. Da sie die Geistesverwandtschaft über die Blutsverwandtschaft
stellten, wollten sie sich durch ihre Wanderschaft von menschlichen, familiären Bindungen
lösen und in der Solidarität des Christusglaubens Bruderschaft üben, um so geistlich
zu wachsen. Da sie jedoch keinen Heilsindividualismus oder gar Frömmigkeitsegoismus
auf ihre Fahne geschrieben hatten, wußten sie sich mit ihrem Zeugnis ganz natürlich und
urchristlich in die Verantwortung innerhalb der Gesellschaft und Nachbarschaft gestellt.
Der Paulussatz Rom. 10,10: »Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht;
und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet«, gehörte existentiell zu
ihrem Frömmigkeitsstil.

Dies schlägt einen Dreiklang an:

1. Gott und ich, mein Gottesverhältnis, Gottes Liebe und Christi Erlösergnade für
mich.

2. Nächstenliebe - Gemeinschaft, die soziale Dimension.

3. Geschöpf und Schöpfer - die Weite der Tierwelt, der Natur als Schöpfung Gottes, die
kosmische Dimension.

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