http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1987-02/0168
bewegen sich die Frauen knieend durch die Aecker und reinigen sie mit den Händen und
einer kurzen Hacke vom Unkraut... Das Hauptnahrungsmittel dieser Gebirgsgegend ist
die Kartoffel, und sie macht in Verbindung mit Milch und Brod den ganzen Tisch des
Wälders aus. Ihr Mißrathen ist für letzteren gar schlimm und hat Hunger und Armuth im
Gefolge...«. Noch sind die kargen Jahre insbesondere vor der 48/49er Revolution in aller
Gedenken! Die Anschaulichkeit der PflügerschenDiktion hat mitunter bereits einen dokumentarischen
Wert erlangt, so etwa: » Viel Ackerland liegt aber auch mehrere Jahre
hindurch brach, dann wird es wieder angebaut. Vorher jedoch geht man, und zwar in
den ersten Tagen des Frühjahrs, hinaus, um den Boden vom Rasen zu reinigen, und auf
den Acker Haufen von Holz oder Reisig zusammen zu tragen. Diese werden angezündet
, die verbrannte Asche liefert ein hervorragendes Dungmittel, und der ausgesäete
Roggen, die Hauptfruchtgattung des Wälders, erreicht auf dem so vorbereiteten Boden
eine seltene Höhe... Zu Anfang des Sommers beschäftigt die Wahl der Hirten die Gemeinde
. Es sind deren drei zu dingen: einer für die Schafe und Ziegen, ein anderer für die
Kühe und Rinder, ein dritter für die Ochsen und Stiere. Das Vieh ist klein, aber ausdauernd
... Alles Vieh muß weiß und gelb, oder weiß und roth gefleckt sein; was nicht gesprenkelt
auf die Welt kommt, wird unerbittlich dem Schlachtmesser überantwortet...«.
Vom Schweinehirten ist hier nicht mehr die Rede; der von den Schweinen in früheren
Jahrzehnten angerichtete Schaden, den die Forstleute emsig und berechtigterweise registrierten
, war derart groß, daß man darauf in der Regel verzichtete, zumal man sich von
wenig Bewegung besonders fette und seinerzeit gewinnbringende Sauen versprach. -
»Den Sommer über sammeln die Kinder Erd- und Himbeeren, mit einem hölzernen
Striegel (= Raffel) die Heidelbeeren, und ganz zuletzt noch die Preißelbeeren, und tragen
sie zum Verkauf umher, um auch von ihrer Seite zum Lebensunterhalt mitzuhelfen«.
Und Pflüger resümiert: »Alle Geschäfte des Sommers müssen aber mit emsiger Hand
rasch hinter einander verrichtet werden; denn schon früh im Oktober fällt auf das unreife
Haferfeld der erste Schnee und gemahnet den Wälder, daß der Winter herannahe, der
seine Scheunen und Keller und Speicher mit Vorräthen gefüllt antreffen will...«. So gesehen
, wird die »Badische Vaterlandskunde« in ihrem ersten Teil, den »ausführlichen Beschreibungen
«, vorweg der Erwerbstätigkeit in Stadt und Land gerecht, während in einem
zweiten Teil das Geographische zur »Uebersicht und Ergänzung« mit dem Historischen
gekoppelt wird.
»Die Anstalten des Gewerbsfleißes und der Industrie«, so hatte es bei Pflüger im Wiesental
-Kapitel geheißen, »welche die letzten Jahrzehnde an den Ufern des Flusses in
zahlreicher Menge gegründet haben, sind von dem höchsten Interesse, und machen das
Wiesental zur fabrikreichsten Gegend des Landes«. Ganz in diesem Sinn marschierten
die anschließenden Jahrzehnte voran, und in den nun aufkommenden Reiseführern ä la
Seydlitz (neu hrg. von M. B., Frühling 1983) und Woerl usw. manifestieren sich zunehmend
solcher Zeitgeist und solche Zeittendenz. Wir können daher getrost ein Halbjahrhundert
überspringen und blättern nunmehr etwa in der 3. Auflage von Karl Bürkels
»Das Großherzogtum Baden - ein geographisch-statistischer Leitfaden für den Schulgebrauch
und Selbstunterricht« (Freiburg 1909). Die Erstauflage dieses Bändchens war
1894 erschienen, Bürkel selbst titulierte sich »weil Reallehrer an der Höheren Mädchenschule
zu Karlsruhe«. § 18 behandelt die »Rheinzuflüsse nach Süden«, unter 4) finden
wir die Wehra: »... entspringt am Fuße des Hochkopfes und fließt durch ein von steilen
Felsabhängen begrenztes Tal. - Wehr, Dorf mit 3665 Ew., macht durch seine lebhafte
Gewerb- und Fabriktätigkeit den Eindruck eines Städtchens; unweit davon an einem
Seitenflüßchen Hasel, Dorf mit 683 Ew., bekannt durch die in der Nähe befindliche
'Erdmannshöhle', die aus zusammenhängenden kellerartigen Gängen und Kammern
166
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1987-02/0168