http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0050
nun in der Tat eine Strukturkrise, die dem preußischen Heereskonflikt von 1861 vergleichbar
ist; und die liberalen und demokratischen Kräfte mußten resignierend erkennen
, daß sich in fünfzig Jahren nicht das Geringste in ihrem Sinne bewegt hatte.
In Elsaß-Lothringen selber hat die Behandlung der Zaberner Vorfälle den Graben
zwischen Einheimischen und Altdeutschen vertieft, die bisherige Versöhnungspolitik in
Verruf gebracht und die mühsam errungenen landespolitischen Handlungsmöglichkeiten
unterhöhlt. Als der Landtag Anfang 1914 die Vorfälle diskutierte, zeigte sich
schnell. daß nun keine Voraussetzung mehr für eine gemeinsame Landespolitik von Parlament
und Statthalter bestand. Die neue Verfassungsordnung war "in Scherben geschlagen
" . um eine DrohungWilhelms II. gegenüber dem Straßburger Oberbürgermeister
Dr. Schwander 1912 aufzugreifen.16' Graf v. Wedel trat daraufhin am 28. Januar zurück
. Sein Nachfolger wurde der preußische Innenminister Hans v. Dallwitz. Vertreter
eines starren Obrigkeitsdenkens. Daß sein unnachgiebiges Verwaltungsprogramm
keine neuen, heftigeren Zusammenstöße provoziert hat. liegt nur an der völlig veränderten
Lage, die für das Reichsland durch den Kriegsausbruch eintrat. Der Simplizissi-
mus aber veröffentlichte eine Karikatur, in der der französische Ministerpräsident Poin-
care v. Forstner das Kreuz der Ehrenlegion überreicht für seine Verdienste um die französische
Sache im Elsaß...
Der Krieg hat dann endgültig alle Bindungen des Elsasses an Deutschland zunichte
gemacht. Im August 1914 stießen die Franzosen bis Mülhausen und Colmar vor. wurden
aber von den Deutschen wieder zurückgedrängt. Nur Thann konnten sie für die Dauer
des Krieges halten; es wurde für sie zum Hoffnungszeichen für die französische Zukunft
des Landes. 1915 versuchten beide Seiten unter schwersten Verlusten, die Frontlinie
am Hartmannsweilerkopf und am Lingekopf zu durchbrechen - vergeblich. Danach
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