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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 64
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0066
auf Kosten der Gemeinde mit insgesamt 52 Paar "solid gearbeitete Schuh mit den erforderlichen
Nägeln beschlagen"13' ausgerüstet. Agent Kisling, der im Hauptberuf eine
"Colonialwaaren Handlung" in Eschbach betrieb ("Rohe Haeute. Leder, Eisen"), lieferte
ballenweise Stoffe: Druckkattin, Hosezeug, Barchent, Biber und Hemdtuch,
Knöpfe, Halstücher, Schneiderfaden. Stroh- und Salzsäcke.14' Zur Herstellung benötigter
Kleidungsstücke und des Bettzeugs stellte die Gemeinde Schneider und Näherinnen
an. Der Rechnungsposten "Wachsverbrauch für die Näherinnen"1"' weist aus, daß
in der hektischen Endphase der AuswanderungsvorbereitungenTag und Nacht gearbeitet
wurde. Ein Hutmacher aus Heitersheim lieferte Hüte und Kappen. 7 Gulden und
30 Kreuzer wurden einem besonders armen Familienvater bar aus der Gemeindekasse
ausgehändigt, damit er seine im Leihhaus in Freiburg verpfändeten Kleidungsstücke
auslösen konnte. Dem Agenten Kisling wurden treuhänderisch 452 Gulden übergeben,
die erst in New York als Starthilfe an die einzelnen Auswanderer gegen Bescheinigung
verteilt werden durften.

Laut Vertrag hatten die Auswanderer Betten, Eß- undTrinkgeschirr selbst zu stellen.
Die Fahrt ging mit dem Zug von Krozingen über Mannheim weiter nach Liverpool,wo
die Bremgartener am 4. August des Jahres 1854 das Schiff "Liverpool" Richtung New
York bestiegen. Die Reisegruppe bestand aus insgesamt 11 Familien sowie der ledigen
Angelika Schwemberger mit ihrem 12 Monate alten Sohn Albin und dem Schustermeister
Peter Grez.

Die 77 Personen der im ersten Schiffsvertrag vom 7. Juli 1854 aufgeführten 10 Familien
umfaßten 2 Säuglinge, 27 Kinder zwischen 2 und 14 Jahren sowie 48 Erwachsene
von 15 bis 65. Im einzelnen waren dies die Familien derTaglöhner Anton Suger, Gallus
Link, Bruno Frei und Philipp Wiedmann: der Schneider Josef Pfister, Ferdinand
Schwemberger und Xaver Hirbe; des Webers Math. Hirbe; des Landwirts Math. Grath-
wohl und derWitwe Magdalena Ziegler mit ihren beiden Kindern.

Die größten Familien mit je 12 Köpfen stellten die Pfister. Suger und Link. Die anderen
bestanden aus 9, 8, 6, 3 mal 5 und 3 Köpfen. Am 16. Juli wurde für die 14 Personen
umfassende Familie des Landwirts Joseph Merg der zweite Schiffsvertrag abgeschlossen
. Dazu gehörten der 65jährige Vater, der Ziegler Johann Merg, die Ehefrau Anna, 7
Kinder zwischen 3 und 14 Jahren sowie 4 von 17 bis 20.

Der letzte Vertrag war am darauffolgendenTag mit der oben genannten ledigen Mutter
und dem Schustermeister geschlossen worden.

2. Auswanderung oder Abschiebung?

Gruppenauswanderungen auf Gemeindekosten gehörten um die Mitte des letzten
Jahrhunderts nicht nur im südwestlichen Deutschland zum Alltag zahlreicher Orte.

In unserem Zusammenhang beschränken wir uns auf einige kontroverse Beispiele
aus dem Freiburger Umland.

1854 wurden aus Ebringen 29 Personen nach Nordamerika "spediert", wie die Quellen
in Amtsdeutsch vermelden. Diese Gruppe bestand aus vier Familien zu 11,7,6 bzw.
3 Personen sowie der ledigen Katharina Tröscher. Organisator war auch hier der Agent
Kisling aus Eschbach. Bereits im Herbst des Vorjahres war eine Gruppe von 132 Personen
aus Pfaffenweiler (darunter auch ein Bürger aus Bollschweil) auf den langen Weg
über Marseille nach Algerien geschickt worden.16'Verglichen mit den Umständen und
Folgen dieses Pfaffenweiler Unternehmens hatten die 94 Bremgartener mit Nordamerika
die ganz sicher 'leichtere' Fremde zum Ziel. Während die Dokumente in Pfaffen-

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