http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0123
Die Straßenzüge in Zell, vom sogenannten Latschariplatz bis zum Bahnhof im Bereich
der Volksschule, wurden tagelang gesperrt. Die Anwohner der Straßen mußten
sich über Hinterhöfe und Schleichwege versorgen.
Am 18.9. fand eine weitere Protestversammlung statt, in der eine Resolution verfaßt
wurde, deren Inhalt auf die akute Not schließen läßt, in der sich die Streikenden befanden
. Sie hat folgenden Wortlaut:
Abschrift.
ZeBi. W. den 18. Sept. 1923.
An verehr!. Ministerium des Innern
Karlsruhe.
Im Auftrage der gestern stattgehabten grossen Demonstrationsversammlung derge-
sammten Arbeiterschaft der Betriebe in Zell. Atzenbach u. Rohmatt wurde Nachstehendes
beschlossen, das dortiger Stelle zurgefl. Berücksichtigung unterbreitet wird.
Resolution:
Die heutige Demonstrationsversammlung der Arbeiterschaft in Zell wünscht für die
kommende Wirtschaftsperiode - um den aufgetretenen Missständen zu begegnen - dass
von den massgebenden Stellen die Schaffung eines Einheitsbrotes mit allem Ernste in
Erwägung gezogen wird.
DerAktionsa ussch uss:
gez. Berthold Bury
" Philipp Sütterie
" AlfredTscheulin
N.B. Das gleiche Schreiben ging an die Reichsgetreidestelle in Berlin.
Die Unruhen in Schopfheim
Während in Zell der Generalstreik zwar mit aller Intensität, jedoch einigermaßen gewaltfrei
verlief, kam es in Schopfheim am 17.9. zu Ausschreitungen.
Einzelne Betriebsräte und ortsfremde Arbeiter drangen in Fabrikbüros und zum Teil
in Fabrikantenwohnungen ein. Sie forderten die Unternehmer auf, unverzüglich zu
Lohnverhandlungen ins Bezirksamt mitzukommen. Unter vorausgetragener roter
Fahne wurden sie zum Teil gewaltsam mitgeschleppt.
Die Lohnverhandlungen standen unter der gleichen Prämisse wie in Lörrach und
Zell. Wegen Platzmangels im Bezirksamt erfolgte ein Umzug in den Rathaussaal, wo
man zunächst noch auf eine Delegation aus Wehr wartete. Die Verhandlungen begannen
sachlich. Die Forderungen der Streikenden wurden jedoch von Kommerzienrat
Horn und anderen als untragbar abgelehnt.
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