http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0124
Auf dem Rathausplatz wartete eine große Menge Streikender auf die Verhandlungsergebnisse
. Einige Agitatoren verstanden es, die Leute aufzuwiegeln, als der Fortgang
der Verhandlungen nicht den Forderungen entsprach. Die Streikenden drangen unter
Führung der Kommunisten Göcke und Leber ins Rathaus ein, sprengten die verschlossene
Tür des Rathaussaales auf und drangen trotz beherzten Eintretens einiger besonnener
Gewerkschaftler und des OberamtmannesWintermantel in das Zimmer des Bürgermeisters
ein, wohin sich die Unterhändler unter dem Druck der erregten Menge zurückgezogen
hatten. Einer der Rädelsführer sprang auf einen Tisch und schrie: "Horn
muß heraus, die Arbeitgeber müssen alle mit nach Lörrach gegen die Schupo". Oberamtmann
Wintermantel ging zuerst auf diese Forderung ein. um die erregte Menge zu
beruhigen. Es kam nun jedoch zu Tätlichkeiten, bei denen Kommerzienrat Horn
schwer mißhandelt wurde, u.a. mit abgeschlagenen Stuhlbeinen.
Unverzüglich wurden einige Lastwagen beschlagnahmt, mit denen der Oberamtmann
, Kommerzienrat Horn und andere von jungen bewaffneten Männern nach Lörrach
gefahren wurden. Während Wintermantel dort entlassen wurde, bezeichnete man
Horn als Geisel, die alsbald aufgehängt würde, wenn nur ein Demonstrant umkäme.
Horn wurde schließlich erheblich verletzt in eine Villa am Hünerberg verbracht, wo er
endlich zumindest von Sanitätern behandelt werden konnte. In der Nacht gelang ihm
unter Mithilfe eines Arbeiters die Flucht.
Währenddessen spielten sich in Schopfheim weitere Gewalttaten ab. Die Preise in
Gasthäusern wurden mutwillig herabgesetzt. Zechen geprellt, der Bahnhofsvorstand
wurde genötigt, einen Zug mit Sicherheitspolizei nicht weiterfahren zu lassen. Außerdem
sollte ein weiterer Zug solange aufgehalten werden, bis die Verhandlungen im Rathaus
beendet wären, um in diesem Zug in großer Anzahl nach Lörrach fahren zu können
, wo man die Geschehnisse beeinflussen wollte. Dies gelang jedoch nicht. Ein LKW
mit bewaffneten Männern fuhr nun nach Ehner Fahrnau. wo Waffen requiriert werden
sollten. Das »MarkgräflerTagblatt« schrieb seinerzeit:
Gewalttaten schlimmster Art sind geschehen.
Mißhandlung. Körperverletzung, Beraubung der
persönlichen Freiheit. Land- und Hausfriedensbruch
. Bedrohung und Raub.
In Wehr soll es übrigens ähnliche Vorfälle gegeben haben. Das MTberichtet hierüber
weiter:
Da kann man nicht mehr von Lohn- oder politischer
Bewegung sprechen, das war eine Revolte
aller niedrigen Instinkte, raffiniert verhetzter
Personen beiderlei Geschlechts und zugleich
ein Beispiel für die Autoritätslosigkeit der besonnenen
Führer der Arbeiterschaft in Stunden,
wo beruhigendes Zureden mit Hohn und Lachen
quittiert wurde.
In Schopfheim beruhigte sich die Lage auch dann nicht, als die Streikforderungen
vor allem nach Bezahlung von 50 sfr. pro Arbeiter erfüllt wurden. Nur die ältere Arbeitergeneration
war besonnen und auch bereit, für den Schutz ihrer Betriebe und der Arbeitgeber
zu sorgen. Es ist übrigens interessant, die seinerzeitige einseitige Pressebe-
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