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keitstreue. die zur Folge hatte, daß er auch Napoleon als Obrigkeit - selbst über Baden
- anerkannte und konsequenterweise einen Widerstandskämpfer wie den Tiroler Andreas
Hofer ablehnte (S. 126-133).
Gotthelf aber gedenkt der Schlacht und des Siegs der Franzosen bei Fraubrunnen in
der Erzählung "Elsi. die seltsame Magd", wohl eine der schönsten, ergreifendsten Liebesgeschichten
der deutschen Literatur. Elsi.Tochter aus guter, aber durch die Schuld
des Vaters heruntergekommener Familie, dient sozusagen inkognito als Magd, wehrt
sich aus Scham gegen das Liebeswerben des Bauernsohnes Christen und folgt ihm - aus
Liebe - nach Fraubrunnen in die Schlacht und in den Tod.
Es ist auch fast die einzige Geschichte, die tragisch endet: meistens klingen Gotthelfs
Romane und Novellen mit einem positiven Schluß aus. nicht mit einem billigen happy
end. sondern mit einem von Gott bewirkten Wunder reuiger Umkehr aus Sumpf und
Elend. So beispielhaft in der Erzählung "Dursli. der Brannteweinsäufer". der durch
politische Demagogie, genährt durch die Schlagworte der Französischen Revolution,
aus einem braven Handwerker. Ehemann und Familienvater zu einem versumpften,
verschuldeten, verspotteten, von Frau und Kindern gefürchteten Schnapssäufer und
Unmensch wurde, an einem Weihnachtsabend aber, als er den Tod suchte, um dem
Elend ein Ende zu machen, den Weg zurück nach Hause fand, besser gesagt: von unsichtbarer
Hand geführt und daheim mit verzeihender Liebe aufgenommen wurde. Ein
Pendant zu Hebels Gedicht "Der Bettler", das wir eingangs gehört haben: denn es ging
Bäbeli wie jener Markgräflerin. die den in Kriegsdienste Gegangenen hoffend und betend
begleitete und dann, als er wieder zurückkam und sich zu erkennen gab. ausrief:
Her Jesis. der Fridli. my Fridli isch do !
Gotthelf aber kommentierte: "Aber eben. Leute, merket euch dieses Zeichen wieder
, wie der Mensch aus dem Himmel, den Gott ihm darbietet, die Hölle, aus dem Paradiese
ein Dornen- und Distelfeld machen kann!"
Nun, auch das ist eine Gemeinsamkeit im Schaffen unseres Dreigestirns: das Lob der
Liebe, der Ehe und der Familie. Claudius und Hebel taten es in herrlichen Gedichten.
Gotthelf. dem sowohl Musikgehör als auch der Sinn für Lyrik abging, in köstlichen
Brautschau-Erzählungen und in Episoden innerhalb von Novellen. Im bereits erwähnten
Bericht über die "Wassernot im Emmental" begegnen wir nach dem Unwetter einem
Bäbeli. das sich kümmerte um seinen Hans, den es am letzten Signaumarkt kennengelernt
hatte und sich nun fragte, "ob Hans nicht treulos es verlassen werde, da es
nichts mehr besitze als die Fetzlein an seinem Leibe. Als Bäbeli so saß in nassem Jammer
und im nassen Grase, da fragte es eine Stimme: *He. bist du's Bäbi; was hockisch
da und tuest so nötli?" Es war Hans. Aber Bäbi konnte nicht antworten, es schluchzte,
daß es ihns über und über erschütterte. Tu doch nicht so wüst!* tröstete Hans, "z'pläre
trägt dir nichts ab: komm du gleich zu uns, wir haben dir z*werche und z'esse. und verkünden
können wir ja dann uns lassen, sobald es uns anständig ist.' Da wohlete es Bäbi
auf einmal, seine Augen glänzten, die Beine wurden ihm wieder leicht, der Atem kam
wieder zum Reden... Glücklich und leicht. Hand in Hand zogen beide den andern
nach, und man sah es Bäbi gar nicht an. daß es ihm übel ergangen." Und in seiner Festrede
anläßlich des Eidgenössischen Schützenfestes in Chur prägte Gotthelf das Wort:
"Im Hause muß beginnen, was leuchten soll im Vaterland!"
Aus der Fülle von Texten, in denen Matthias Claudius Liebe. Ehe und Familie besingt
, das Gedicht
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