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ten gallo-römischen Tempel hat man später auf dem Puy-de-Döme bei Clermont-Fer-
rand dem Mercurius Dumius geweiht.
Als im Jahre 12 v.Chr., anläßlich des Vierteljahresfesttages am L August, das Volk zu
den im Weihebezirk auf Lugudunums Hausberg Fourviere stehenden Altären undTem-
peln der Götter strömte, errichtete Drusus zu Ehren seines Adoptivvaters Augustus einen
Altar und verschmolz dessen Verehrung mit der des Mercurius zu einem gemeinsamen
Kult, den von nun an der vom Landtag gewählte Oberpriester zu leiten hatte. Daß
durch diese überaus geschickte Regie der Kaiserkult eine schnelle Verbreitung fand, beweisen
die zahlreichen von den Archäologen freigelegten Inschriften, auf denen Augustus
vor allem gemeinsam mit Mercurius, aber auch mit anderen, zum Teil nur regionalen
und lokalen keltischen Gottheiten genannt wird. Der Kult wurde auch von den
Nachfolgern des "divus Augustus" in Anspruch genommen, die ja alle auch den Titel
"Augustus" führten. ZurTeilnahme am Gottesdienst zu Ehren des Kaisers waren die römischen
Bürger rechtlich verpflichtet, und in dieses Bürgerrecht und diese Bürgerpflicht
rückten die Gallier in fortschreitender Entwicklung ein. Die Ausübung dieses
Kults war aber unvereinbar mit dem Judentum und dem Christentum, die ja nur einen
einzigen Gott verehrten. Das war eine der Ursachen für die späteren blutigen Juden-
und Christenverfolgungen.
Trotzdem überlebte sogar hier der Brauch den Glaubenswechsel, zumal eine neue
Sinngebung hier nicht erforderlich war. Zwar wurde nicht mehr der Kaiser als Gott verehrt
, sondern man betete für ihn und später für andere regierende "Fürsten von Gottes
Gnaden" zum Herrgott, und die zu ihren Ehren abgehaltenen Geburts-, Namens-,
Tauf- und Krönungstage wurden reduziert auf profane Staatsfeiertage. So hat man in
Baden bis zum Zusammenbruch im Jahre 1918 Kaisers und Großherzogs Geburtstag jedes
Jahr gefeiert. Die Staatsgesinnung blieb auch weiterhin auf die leibliche Person des
Fürsten gerichtet, und dies selbst dort, wo er infolge allmählichen Verlustes seiner
Funktionen bei Ausübung der Staatsgewalt zur Symbolfigur wurde.
Wenn in einem Staat die Monarchie abgelöst wird, wenn durch Zusammenschluß
oder Auflösung von Staaten, durch Abtrennung von einem bestehenden Staat oder
durch gemeinsamen Willensakt von Bewohnern eines bisher nicht von einem Staat beherrschten
Gebiets ein neuer, nicht monarchisch regierter Staat entsteht, wird zum
Adressaten der Staatsgesinnung die durch eine Verfassung zur Ausübung der Staatsgewalt
instand gesetzte Gemeinschaft der Herrenschicht, der Priesterschaft oder des
Staatsvolkes. Wo das Staatsvolk die Staatsgewalt ausübt, tritt an Stelle des Fürstengedenktages
in einem solchen Fall ein Gedenktag an eine aus der Geschichte des Staatsvolkes
zukunftsweisende Begebenheit, so die Abfassung des schweizerischen Bundesbriefs
vom Jahre 1291, die Erstürmung der Bastille oder die Annahme der republikani-
schenWeimarer Reichsverfassung.
Anmerkungen
1) Camille Jullian, "Historie de la Gaule"
Band IV, Edition 1964, S. 433.
2) Diese Darstellung ist entnommen aus:
Jan de Vries "Keltische Religion". Stuttgart 1961.
S. 14,45, 50,52-53,120, 129, 139,146,149-150,153. 154,157, 167, 227, 228.
Camille Jullian erwähnt den Gott Lugus nicht. Das Wort Lugudunum übersetzt er mit "mons
clarus".
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