http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1989-01/0163
hards wichtigster Bundesgenosse blieb der Hunger. Dem tapferen Kommandanten,
Hans Heinrich Freiherr von Reinach, aus einem kaisertreuen Geschlecht am Hochrhein
, hatte Kaiser Ferdinand III. schriftlich befohlen, die ihm anvertraute Festung "bis
auf den letzten Athem und äußersten Blutstropfen zu defendiren". Vom 17. November
1638 an aber gab es in der Festung kein Brot mehr, und auch die meisten Pferde waren
aufgezehrt. Baumrinden wurden nun zu Kleie gemahlen, Hunde. Katzen, zuletzt Ratten
als kostbare Leckerbissen gehandelt. Noch Schlimmeres geschah. "Mit Entsetzen
mußte der Kriegsrat constatieren, daß nämlich kundbar, daß die todten Körper zerschnitten
, ausgegraben, verzehrt, ja auch viele lebendige Kinder angegriffen, erwürgt
und zu Speise gebraucht worden" (v. Wetzer). - Am 7. Dezember 1638 schließlich kapitulierte
Reinach unter ehrenvollen Bedingungen. Bernhard war ein großmütiger Sieger,
denn er hatte Proviant für die ausgehungerte Besatzung bereitstellen lassen. "Aber die
hungernden Soldaten stürzten, wie sich erzählt findet, mit solcher Gier über die Brote
her, daß ihrer viele jählings todt niederfielen" (G. Droysen).
Die Einnahme Breisachs war ein europäisches Ereignis, und Historiker sahen darin
die glänzendste Waffentat des Dreißigjährigen Krieges. Bernhard erhielt Glückwünsche
aus dem ganzen evangelischen Europa, so von der Königin Christine von Schweden
, derTochter Gustav Adolfs. Überhaupt wurde sein Bündnis mit Schweden wieder
enger, während dasjenige mit Frankreich sich lockerte, da er Richelieu jetzt zu mächtig
erschien. Zum offenen Konflikt aber kam es nicht, denn Bernhards Leben ging nun
rasch zu Ende. Nachdem er am 20. Dezember 1638 Erlach zum Statthalter von Breisach
ernannt hatte, brach er im Januar 1639 zu einem Feldzug nach Hochburgund auf. Auch
dieser verlief erfolgreich, aber dann warf ihn eine Krankheit nieder. Wochenlang lag er
mit Koliken im Schlosse Joux. Während sein Körper immer siecher wurde, schmiedete
Bernhards Geist rastlos an großen Plänen: Ein Fürstentum mit Burgund, den Landen
beiderseits des Oberrheins und Hessen, eine "dritte Partei" zwischen dem Kaiser und
dem König von Frankreich, war wohl sein Ziel. Breisach, derzeit der wichtigste Platz in
Europa, war vermutlich als Hauptstadt vorgesehen. Im Frühsommer wollte er dorthin
zurück. Das Oberrheintal glühte in der Julisonne. In Hüningen war er so schwach, daß
er zu Schiff gebracht werden mußte. Droysen hat Bernhards Sterben in Neuenburg anhand
der Berichte des Kanzlers Rehlinger und des Hofpredigers Rücker eindrucksvoll
geschildert: "Als das Schiff zu Neuenburg anlegte, marschierten eben dieTruppen über
die Brücke auf das rechte Rheinufer. Welche Gefühle mögen bei diesem Anblick sein
Herz erfüllt haben... Früh am Morgen des 8. Juli verlangte er nach seinem Hofprediger
Daniel Rücker. Er wisse gar wohl, daß er "durch niemand, niemand, niemand als allein
durch Christi Verdienst" von seinen Sünden erlöst werden könne... Mit ersterbender
Hand machte er das Zeichen des Kreuzes über sein Angesicht und verschied... Es war
der 8. Juli 1639, morgens um 7 Uhr."
Bernhards Tod zu Neuenburg am Rhein war für den Fortgang des Dreißigjährigen
Krieges und des ganzen 17. Jahrhunderts von kaum geringerer Bedeutung als derjenige
Gustav Adolfs bei Lützen, oder Wallensteins Tod in Eger. Ein Denkmal aber, wie es
Schiller für Wallenstein errichtet hat, ist Bernhard von Weimar nicht zuteil geworden.
Als Jenaer Professor hat ihm Schiller 1790 allerdings mehrere Seiten seines Geschichtswerkes
gewidmet. Christoph Martin Wieland, seit 1772 Prinzenerzieher am Weimarer
Hof, untersuchte 1806 in seiner Zeitschrift "Teutscher Mercur" die Frage nach derTo-
desursache. Der immer wieder - zuletzt 1939/40 - vorgebrachten Behauptung. Bernhard
sei vergiftet worden, widerspricht der Obduktionsbericht der Ärzte und Apotheker
, die bei der Leichenöffnung in Neuenburg "ein sehr bösartiges Fieber" und eine
schwere Gallenerkrankung feststellten. -
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