http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1991-01/0054
rung über Zinsen und Gefälle vornahm, war nur noch ein Teil der ursprünglichen Einnahmen
verfügbar, so daß jetzt nur noch sechs Häuser dem Orden zinsten.
Ich habe nur die wichtigsten und bedeutendsten geistlichen Einrichtungen vorgestellt,
denn auch St. Blasien, Gutnau, Sitzenkirchen, St. Trudpert, Günterstal sowie die Dominikaner
waren mit mehr oder weniger Besitz in und um Neuenburg vertreten. Aus dem bisher
Gesagten wird deutlich: In den Klosterkassen sammelten sich zum Teil gewaltige Kapitalmengen
, da Klöster auch einflußreiche Wirtschaftsunternehmen darstellten. Ein Großteil der
Gebäude in der Stadt war in geistlichem Besitz oder den Klerikern zinspflichtig, die nach
klerikalem Anspruch keinerlei Abgaben an die Stadt entrichten wollten. Falls es den
Klerikern gelang, die geforderte Zoll- und Steuerbefreiung durchzusetzen, konnten der
Stadtkasse umfangreiche Einnahmen verloren gehen und ihre Prosperität stark beschränken.
Darüber hinaus waren praktisch sämtliche Einwohner Neuenbürgs mehr oder weniger den
Klöstern und Orden mit jährlichen Zinszahlungen verpflichtet, die aus Verschuldungen oder
religiös motivierten Zinsverschreibungen resultierten. Als Neuenburger war man natürlich
daran interessiert, die Kapitalmengen der Klöster zum Nutzen der Stadt zu lenken.
Um die Klöster und geistlichen Einrichtungen in die städtische Gemeinschaft integrieren
zu können und um Ansprüche auf weitreichende Begünstigungen zu unterbinden, nahmen
die Städte die in ihren Mauem lebenden Geistlichen formal ins Bürgerrecht auf, was
durchaus auch im Interesse der Geistlichen sein konnte. Während diese nun aber in erster
Linie die bürgerlichen Rechte in Anspruch nehmen und den Schutz der Stadtmauern
genießen wollten, erinnerte sie die Kommune an die bürgerlichen Pflichten.
1419 erlangte der Abt von St. Blasien Neuenburger Bürgerrecht. Der Neubürger ordnete
sich prinzipiell dem Stadtrecht unter und garantierte. Rechtsangelegenheiten vor dem
Magistrat, und nicht vor dem stadtherrlichen Schultheißengericht auszufechten. Für sein
Bürgerrecht entrichtete er eine jährliche Steuerpauschale von vier Pfund Pfennig. Nahm er
Hilfeleistungen der Stadt in Anspruch, mußte er die dabei anfallenden Unkosten begleichen.
Von der Kriegshilfe, also der Unterstützung der Kommune in kriegerischen Zeiten, war er
befreit. Er konnte jederzeit aus dem Bürgerrechtsstatus ausscheiden. Ein neuer Abt St.
Blasiens besaß die Option zur Aufnahme ins Bürgerrecht, falls die Stadt keine Einwände
gegen seine Person erhob. Das Bürgerrecht war hier an den Abt. nicht an die Mönchsgemeinschaft
gebunden.
Auch die Johanniter und das Kloster Gutnau besaßen Bürgerrecht. Eine anläßlich einer
Bürgerrechts Verleihung ausgestellte Urkunde liegt allerdings nicht vor, so daß die genaueren
Konditionen im dunkeln bleiben.
Darüber hinaus waren mittelalterliche Städte bemüht - wie ich bereits andeutete -
möglichst exakte Einblicke in die Finanzlage sowie die Wirtschaftskraft geistlicher Institutionen
zu erlangen, um deren Kapitalströme zum Wohl der Bürger und der Stadt zu lenken.
Hier standen einer durchsetzungsfähigen Kommune mehrere Möglichkeiten offen. Neuenburg
gelang es nun. großen Einfluß auf die an der Stadtkirche beschäftigten Seelsorger zu
gewinnen. Beim Tod eines Priesters inventarisierten städtische Amtsleute den Nachlaß,
drangen hierzu in die Wohnung des Verstorbenen ein und versiegelten diese, bis die
Erbschaft geklärt war. Der Geistlichkeit gestand man die Abordnung zweier Kleriker zu, die
bei der Verzeichnung der Hinterlassenschaft präsent sein durften. Je ein Verzeichnis fertigte
man für Kleriker und Laien an. denn das private sollte vom kirchlichen Vermögen getrennt
werden. Damit ordneten sich die Weltgeistlichen in die städtische Gemeinschaft ein, konnten
also zum Teil in das städtische Recht integriert werden.
Zur Verwaltung ihrer riesigen Güter und umfangreichen Einnahmen benötigten Klöster,
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