http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1991-01/0055
Orden und kirchliche Institutionen einen "Manager". Daher schufen sie zur Regelung der
administrativen und wirtschaftlichen Aufgaben Schaffner- oder Pflegerstellen,
die Kontakte zwischen geistlicher Gemeinschaft und Laienwelt herstellten und koordinierten
, also die "Geschäftsbeziehungen" regelten sowie die geistliche Wirtschaftsverwaltung
beaufsichtigten. Unabdingbare Voraussetzung zur Erfüllung der vielfältigen Aufgaben eines
Schaffners war lückenloser Einblick in den Haushalt und weitgehend freie Verfügung über
die Finanzen. Falls es der Kommune gelang, eine Vertrauensperson in diese Stellung zu
setzen, konnte der Rat alle Transaktionen der Klöster im wirtschaftlichen Bereich kontrollieren
, ja sogar beeinflussen und lenken. In Freiburg beispielsweise legte man Mitte des 15.
Jahrhunderts gesetzlich fest, daß die Pfleger der Klöster sich aus dem Kreis der weltlichen
Bürgerschaft der Stadt rekrutieren mußten. Bis dahin finden wir fast ausschließlich Klosterangehörige
in dieser Position. Wenden wir uns zuerst der Neuenburger Stadtkirche zu.
Instandhaltung und Versorgung einer Stadtkirche erforderten, damals wie heute, größere
finanzielle Aufwendungen. Instandhaltung der Gebäude. Zelebrierung der Gottesdienste
sowie Besoldung der Priesterschaft und Hilfskräfte waren teuer. Zur Finanzierung dieser
Aufgaben existierten in Neuenburg zwei getrennte Kassen. Eine nutzte man allein für den
Münsterbau, die andere für die Versorgung der Kapläne. Letztere wurde von einem
Geistlichen, dem sogenannten Kaplaneischaffner. verwaltet. Das vorhandene Kapital investierte
man in Zinskäufe. Gewinne wurden nach einem bestimmten Schlüssel unter dem zur
Kirche gehörenden Personal verteilt.
Die Aufsicht über die zweite, für den Kirchenbau zuständige Kasse stand einem Bürger der
Stadt zu. war also der Aufsicht des Pfarrklerus entzogen. Von einigen Pflegern kennen wir
Namen und können ihre Stellung in der Stadt beurteilen: Rudolf Gattner. für 1438 als erster
Kirchenpfleger belegt, war vorher Bürgermeister. Der Schuhmacher Simon Scherer ist in der
Zeit zwischen 1458 und 1470. auch während seiner Tätigkeit als Pfleger, als Schöffe bei
Gericht und als Ratsmitglied nachzuweisen. Die weltlichen Kirchenpfleger bekleideten also
neben ihrer Tätigkeit für die Pfarrkirche hohe städtische Ämter.
Zur KontrollederKirchenordnung und zur Exekution verhängter Kirchenstrafen
richtete man ein aus drei Personen bestehendes Gremium ein, die sogenannten "tres
person(a)e" oder "drige personen". Der Ausschuß rekrutierte sich aus dem Pfarrer der Kirche
bzw. einem Priester als Vertreter, dem Bürgermeister und dem vom Rat eingesetzten Pfleger
des Münsterbaus. Die städtischen Vertreter besaßen hier die Majorität.
Jährliche Messen für Verstorbene wurden zur Erinnerung in das sogenannte Jahrzeitbuch
eingetragen, um für jeden Tag die anstehenden Messen zu vermerken. Zur Lesung der hier
notierten Messen waren die Priester verpflichtet. Das pfarrkirchliche Jahrzeitbuch verwahrte
in Neuenburg der Rat, was als Reaktion auf kirchliche Mißstände zu interpretieren ist.
Neben der Besetzung der Pflegerstellen und dem Einfluß auf das die Kirchenordnung
überwachende Gremium gab es weitere Möglichkeiten, die Auswahl der hiesigen
Kapläne zu beeinflussen. 1371 richtete der Neuenburger Bürger Konrad Korber
eine neue Priesterstelle an der Stadtkirche ein. Konrad präsentierte einen Geistlichen seiner
Wahl, dem die Stelle durch den Rat verliehen werden sollte. Die Auswahl und Präsentation
aller späteren Anwärter stand allein dem Rat zu. Des weiteren regelte der Magistrat, welche
zusätzlichen Messen der Kaplan zelebrieren dürfte. Falls die zur Ausstattung der Pfründe
gehörenden Zinsen von den Schuldnern abgelöst würden, legte Konrad das Kapital mit
Unterstützung des Rates wieder an. Damit sollten möglichst krisenfeste Anlagen gewährleistet
sein. Nach dem Tod des Stifters stand die Reinvestition des Pfründekapitals allein dem
Rat zu. der damit neben der Auswahl der Kapläne auch dieses überwachte. Nur ein der Stadt
genehmer Geistlicher konnte sich Hoffnung auf diese Pfründestelle machen. Vermutlich
über die Hälfte der Kaplanstellen an der Neuenburger Pfarrkirche präsentierte die Stadt.
51
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1991-01/0055