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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
53.1991, Heft 1.1991
Seite: 121
(PDF, 33 MB)
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Strasbourg und Gaston Wira aus Riedisheim, trafen sie sich 1981 in Kembs, wo mehrere am
7. Oktober 1944 den Großangriff viermotoriger englischer Lancaster-Bomber auf das
Kraftwerk erlebt hatten. Auch der Royal Air Force- Colonel James B. Tait war erschienen,
der seinerzeit den Lancaster-Angriff geführt und einige Zeit später mit derselben Bombergruppe
im Ala-Fjord in Nordnorwegen das deutsche Schlachtschiff "Tirpitz" versenkt hatte.
Unter den Fragen, welche die elsässischen "Ehemaligen" bei ihrer Rückerinnerung an den
dramatischen Herbsttag 1944 sich stellten, war auch diese: "Wo sin eigentlich die Schwowe
-LwH?" -

Seltsam: Einige von diesen trafen sich knapp vier Wochen später unweit Kembs erstmals
an ihrem letzten Einsatzort Neuenburg am Rhein. Es waren ehemalige Schüler der einstigen
Richthofen-Oberschule Kenzingen und des Schiller-Gymnasiums Offenburg. Auch bei
ihrem Zusammensein in der Neuenburger "Krone" und beim Aufsuchen der alten Stellungen
beiderseits der Rheinbrücke tauchte analog die Frage auf: "Wo sin die Elsässer-LwH?" Die
Frage blieb unbeantwortet, ebenso bei weiteren Treffen der "Rechtsrheiner" 1985 in
Karlsruhe und 1987 noch einmal in Neuenburg. - Die Brücke zur ersten Wiederbegegnung
nach fast einem halben Jahrhundert wurde dann ein Buch. Mitte der 80er Jahre griffen die
elsässischen "Ehemaligen" zur Feder, ganz in der großen literarischen Tradition ihrer
Heimat, und brachten ihre Erlebnisse 1943-1945 als "Ecoliers-Soldats" zu Papier. Manche
Seiten lesen sich wie die wirklichkeitsnahen Schilderungen des jungen Simplex in Grimmelshausens
"Abenteuerlicher Simplizius Simplizissimus". Auch die Orte sind teilweise
identisch mit denen vor 350 Jahren im großen literarischen Zeitgemälde aus Deutschlands
trübster Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg: vor allem die alten Zentren der Rheinlinie wie
Köln. Koblenz. Mainz. Straßburg. Breisach und Konstanz. Das in Sarreguemines 1989 in
französischer Sprache erschienene Buch gelangte bald über den Rhein in die Hände
badischer ehemaliger "LwH". Zwar kannten diese inzwischen schon einige Luftwaffenhelfer
-Literatur: Zum Beispiel die Novelle "Katz und Maus", worin der Danziger Günter Grass
den Alltag eines uniformierten Gymnasiasten in der Strandbatterie Brösen-Glettkau schildert
: "... vormittags 'Hermann und Dorothea', nachmittags Ballistik, das Gewehr 98 K,
Vierfruchtmarmelade. Wettsingen..." Doch "Ecoliers-Soldats" schildert nicht das LwH-
Dasein in der Danziger Bucht, sondern dasjenige elsässischer Schüler am Oberrhein und
dann an vielen anderen Orten des in die Agonie geratenen "Dritten Reiches". Bei einigen
badischen "Ehemaligen" schlug um die Weihnachtszeit 1989 das Buch aus dem Elsaß dann
wie ein Felsbrocken durch den Dachstuhl.

An den beeindruckenden Fotos, aber auch am Dokumententeil, an den Namenslisten und
Texten rankten sich viele Erinnerungen hoch. Erste Briefe wanderten über den Rhein. Bald
war man rechts- und linksrheinisch sich einig, daß man sich treffen solle und wolle, an
"historischen Orten" und zu einer Jahreszeit, die ebenfalls an die dramatischen Ereignisse
vor nunmehr 46 Jahren erinnerte. Das war dann an den Iden des September 1990 in
Chalampe. am westlichen Brückenkopf des alten Rheinübergangs Neuenburg, den im Laufe
der Jahrhunderte so viele Soldaten in beiden Richtungen überquert hatten. Bei der gegenseitigen
Begrüßung spürte man. wieviel Wasser doch in den 46 Jahren den Rhein hinabgeflossen
war: Aus den "Benjaminen der Wehrmacht", den uniformierten Knaben von einst, waren
grau- oder kahlköpfige, zivile Großväter geworden. Der Sauseschritt der Zeit hatte auf
beiden Seiten des Rheins alle gleicherweise verändert. Einige "Rechtsrheiner" waren zu dem
Treffen auch mit der bangen Frage gekommen: "In welcher Erinnerung sind wir bei denen
geblieben?" - Die elsässischen LwH hatten ja schon durch ihre Zweisprachigkeit mehr
gewußt über das "Dritte Reich" und die wirkliche Kriegslage als die badischen, welche im
Sommer 1944 noch überwiegend an den "Führer" und seinen "Endsieg" glaubten. Und den
Schikanen mißtrauischer Vorgesetzter waren sie wohl mehr ausgesetzt als die "reichsdeut-

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