http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1991-01/0168
gesellschaftlichen und künstlerischen Bereich vollzog sich nun ein Umbruch in den ersten
20 Jahren dieses Jahrhunderts, der auch an Albert Eisele nicht spurlos vorüberging. Erzogen
im Glauben an eine scheinbar unverrückbare Wertskala mit klaren Prioritäten, die in festen
Vorstellungen von Vaterlandsliebe. Treue zu Heimat und Familie und in humanitären
Idealen gipfelten, war nach dem 1. Weltkrieg plötzlich alles in Frage gestellt. Die Bilder
eines Otto Dix oder einer Käthe Kollwitz zeichneten eine ganz andere Wirklichkeit als jene
von Hans Thoma oder Hermann Daur, in der man sich daheim und geborgen wußte. Die
Wandervogelromantik der 20er Jahre wich den Straßen- und Saalschlachten, die sich rechts-
und linksextreme Parteien lieferten.
Albert Eisele war aber keiner, der mit auf die Barrikaden ging. Denn als er in dieser
Situation 1926 sich fast wie in ein Refugium nach Kandern versetzen ließ, begann er auf seine
Weise und in stiller Kleinarbeit etwas für sich und andere aufzubauen, was er aus den
Trümmern einer auch um ihn und in ihm zerbrochenen Welt zu retten versuchte, was eben
noch zu retten war. Das Zauberwort für diesen Ansatz mit all seinen vielschichtigen Facetten
hieß für Albert Eisele "Heimat", Land, Leute. Natur und Geschichte, in die es vorzudringen
galt mit allen Wagnissen und Risiken eines solchen Unternehmens. Sein fast unverwüstlicher
Optimismus war ein wichtiger Begleiter auf diesem nicht immer bequemen Weg.
In welchem Maße dem Heimatsucher das Finden dieser neuen Kandemer Heimat gelungen
ist, kann in diesem Rahmen nur eine Aufzählung der äußerlichen Stationen auf diesem Weg
sein. Was er selbst als Mensch erlebt, erfahren und erlitten, was er andern weitergegeben und
in diesem Geben und Nehmen als Freude, Bestätigung, Vertrauen und Zuneigung zurücknehmen
durfte, wird in diesen Daten und Statistiken nicht erfaßbar sein. Mit zu diesem
Wurzelschlagen in der neuen Heimat gehören natürlich und nicht zuletzt auch das Haus, das
er sich an der Bösigerstraße baute und die Familie, zwei tragende Pfeiler in diesem neuen
Heimisch-Werden. Heimat und Wirkungsfeld sind ihm nicht weniger die Schule, sind ihm
die Kanderner Kinder, von denen er 30 Jahrgänge unterrichtet und auf ihren Lebensweg
bringt, und sicher sitzt mancher heute noch unter uns, der mit ihm diese Jahre geteilt hat.
Schon 1930 wird er Oberlehrer und Leiter der Schule und 1940 mit der Zusammenlegung von
Mittelschule und Volksschule auch deren Rektor.
Albert Eisele gehörte zu jenen - heute immer seltener werdenden - Lehrern, die ihr Wissen
und ihre Möglichkeiten auch nach dem Dienstschluß der Öffentlichkeit verfügbar machen.
War ein Ehrenamt zu Zeiten von Albert Eisele - und für ihn selbst ganz besonders - noch eine
Selbstverständlichkeit, so kann man heute fast täglich in der Presse lesen, unter welchen
Schwierigkeiten einst so geführte Vereine inzwischen leiden. Schon 1929 - also eben erst 3
Jahre in Kandern und im Markgräflerland - gehört Albert Eisele zu den Mitbegründern der
"Arbeitsgemeinschaft Markgräflerland", die sich die historische und kulturelle Erforschung
des Landes zum Ziel gesetzt hat. Neben Führungen und Vorträgen im Rahmen der
Jahrestagungen der Arbeitsgemeinschaft erscheinen in dieser Zeitschrift 26 größere und
kleinere Beiträge zur Landeskunde und hier wieder speziell zu Themen aus Kandern und
seiner unmittelbaren Umgebung. Weitere Ergebnisse seiner Forschung finden sich in den
Medien der Lokalpresse, im Markgräfler Jahrbuch, in der Zeitschrift "Badische Heimat"; in
der vom Hebelbund Müllheim 1950-1968 herausgegebenen Monatszeitschrift "Die Markgrafschaft
", im Alemannischen Jahrbuch des Freiburger Instituts, im Organ des Schwarzwaldvereins
, dem er 60 Jahre angehörte, sowie in Fachzeitschriften der Keramik, der
Papierindustrie und der Eisenverarbeitung, soweit in ihnen die Geschichte der Kandemer
Gewerbe zur Sprache kommt.
Herr Volker Scheer hat sich die Mühe gemacht, alle diese Beiträge chronologisch und nach
Sachgebieten zusammenzutragen und ist dabei auf über 500 gekommen. Größere Arbeiten
entstanden aus dieser intensiven Beschäftigung mit der Vergangenheit seiner neuen Heimat
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