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beträgt, wendet sich der andere der Betrachtung ihrer moralischen Vorzüge zu, die ihm in
seiner Phantasie unvergleichlich erscheinen, und betet sie schweigend an (11)
Gustav Weil: 24-jährig, sinnenfroh, von einer außergewöhnlichen Sprachbegabung, als
Araber verkleidet, als Europäer fühlend, naturwissenschaftlich exakt beschreibend.
Er kehrt, mit einem neuen Vertrag Cottas und einem Zuschuß der badischen Regierung im
Rücken, emeut binnen kurzem in den Orient zurück.
Eintauchen in diese fremde, exotische Welt - das heißt für ihn: mit offenen Augen
wahrnehmen, begierig lernen, sich mit Distanz einfügen. Und vor allem: "...frei von allen
Religionsvorurteilen..." zu sein, wie es einmal beinahe sehnsüchtig in einem Korrespondentenbericht
anklingt. (12)
1836 kehrt er in das "deutsche Vaterland zurück". Die Promotion erfolgt an der Tübinger
Universität. Das Gutachten des Dozenten Philipp Wolff hebt die "strenge grammatikalische
und lexikalische Begründung seiner Übersetzung" hervor gegenüber der "schauerlichen
Oberflächlichkeit derjenigen des Herrn von Hammer". (13)
Weil hatte Zamasharis "Goldene Halsbänder" neu übersetzt und dabei gegen eine Größe
der damaligen Orientalistenzunft polemisiert, was seinem Start als junger Wissenschaftler
nicht unbedingt förderlich war. Hören Sie aus dem Vorwort zu seiner Dissertation:
"...Wo ein das Licht der Wissenschaft verdunkelnder Schleier zerrissen werden soll, da
muß die Hand mit jugendlicher Kraft ausgestreckt, und jede dazwischentretende Personalität
, so wie jede Furcht als anmassend und unbescheiden zu gelten, rücksichtslos zurückgewiesen
werden (14)
Die Widmung dieses Werkes gilt dem badischen Innenminister Winter. Über den weiteren
akademischen Werdegang von Dr. phil. Gustav Weil berichtet die bereits erwähnte "Allgemeine
Deutsche Biographie":
"... (er) versuchte seine Habilitation in Heidelberg zu erwirken, was ihm nicht ohne
Schwierigkeiten gelang. W. hatte nämlich gegen Joseph von Hammer, einen der führenden
Orientalisten seiner Zeit, in einer Übersetzung von Zamasharis Goldenen Halsbändern
polemisiert, was bei dem hohen Ansehen Hammers die incompetente Heidelberger Facultät
stutzig gemacht hatte". Die tatsächliche Ernennung verdankt Weil denn auch dem besonderen
Zuspruch und der Empfehlung seines früheren Lehrers de Sacy aus Paris.
1838 - 1841 arbeitet Weil an seinem großen Werk, einer aus dem arabischen Urtext
übersetzten, philologisch getreuen Fassung der arabischen Erzählungen "Tausend und eine
Nacht".
Diese erste vollständige Veröffentlichung der Übersetzung - der ersten seit der französischen
Übertragung durch Antoine Galland im 17. Jahrhundert - erfüllt jedoch nicht ganz
seine Erwartungen.
Läßt doch sein Verleger das Manuskript durch den Schriftsteller August Lewald überarbeiten
.
Und dessen Vorwort, in dem erden Autor Weil als jungen Gelehrten"... voll orientalischen
Sinnes und orientalischer Erregbarkeit" vorstellt, kündigt somit auch die Richtung des
Handanlegens an die Weilsche Übersetzung an:
"Treu und wahr, und doch so keusch und verhüllt nach unsem Begriffen,... so artig und
konventionell, daß keine Dame die Augen senken dürfte.... Das Morgenland zu civilisieren.
oder eigentlich europäisch zu machen ist ein Unternehmen, das... noch nicht so bald
aufgeführt seyn wird...".
Es bleiben die Spannungen bei diesen höchst gegensätzlichen literarischen Herangehensweisen
nicht aus, dem Verleger zugesagte Lieferungen des vierbändigen Werkes lassen auf
sich warten. Man einigt sich schließlich "gütlich", denn Weil ist auf die kargen Honorare
angewiesen und kann sich nicht sperren.
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