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Anfang an bewusst in Gegensatz zu den konservativen Vertretern der medizinischen
Wissenschaft: statt in ihrer Standestracht erschien er im Arbeitswams und in Stiefeln vor
seinen zahlreichen Zuhörern, die er auch zu Krankenbesuchen mitnahm und auf Exkursionen
mit den Heilpflanzen der Natur vertraut machte."10' In einem Flugblatt warnte Paracelsus
seine Standeskollegen davor, immer nur die klassischen Autoren der Medizin zu lesen: "Auf
diesem Wege kann man. wenn's Gott gefällt, wohl zu blendenden Doktortiteln gelangen, aber
niemals ein wahrer Arzt werden (...). Nicht Titel und Beredsamkeit, nicht materielle
Kenntnisse, nicht die Lektüre zahlreicher Bücher (...) sind Erfordernisse eines Arztes,
sondern die tiefste Kenntnis der Naturdinge und ihre Geheimnisse, welche einzig und allein
alles andere aufwiegen".11' (Es fällt nicht schwer, hier wieder an den goetheschen Faust-
Monolog zurückzudenken!) Nach vielen Querelen mit der Basler Universität und dem Rat
der Stadt verließ Paracelsus im Januar 1528 Basel und ging ins Elsaß.
Diese Vorüberlegungen sollten zu unserem Thema hinführen und skizzieren, daß Faust als
literarische Kunstfigur Goethes (und vieler Autoren vor und nach ihm) auf die Epoche
der frühen Neuzeit, also der Renaissance und der Reformation, zurückverweist, in der neben
dem historischen Faust (etwa 1480- ca. 1540) Paracelsus e i n typischer Vertreter der Zeit
war. Mit Paracelsus aber stoßen wir auch auf die Stadt Basel, die große Metropole des 16.
Jahrhunderts.12'
Der Beginn des 16. Jahrhunderts gehört zu den markanten Zeiträumen in der Geschichte
Basels.131
War am Ende des Mittelalters mit dem großen Konzil von 1431-1448, der Universitätsgründung
von 1460 und der Verleihung des Messeprivilegs 1471 Basel endgültig zu einem
bedeutenden geistigen und wirtschaftlichen Zentrum Europas geworden, so brachte das 16.
Jahrhundert noch eine Fortführung und Steigerung dieser Entwicklung, brachte zudem auch
eine politische Wende mit weitreichenden Konsequenzen: 1501 trat Basel der Schweizer
Eidgenossenschaft bei - ein Ergebnis des Sieges der Eidgenossen 1499 bei Dornach gegen
Kaiser Maximilian. Bei dem vorangegangenen "Schwabenkrieg" hatte sich Basel (aufgrund
seiner geopolitischen Lage in Nachbarschaft zum habsburgischen Oberrhein) neutral
verhalten. Da aber Basel zunehmend weniger Rückhalt am Oberrhein fand, mußte es diese
Neutralität aufgeben und politisch Stellung beziehen: Mit dem Beitritt zur Eidgenossenschaft
löste sich Basel politisch vom Reich, erst 1648 auch rechtlich.
Der 1504 begonnene Rathaus-Bau markierte auch städtebaulich das wichtige Ereignis und
unterstrich das Selbstbewußtsein der Bürger der Stadt, die nun immer mehr ihre
Abhängigkeit vom Bischof lockerten. Kritik an der mittelalterlich-hierarchisch gegliederten
Kirche war nun gleichzeitig auch ein Ansatzpunkt humanistischen und reformatorischen
Denkens zu Beginn der Neuzeit. Erasmus von Rotterdam14' kam nach Basel und machte die
Stadt zu einem europäischen Zentrum des neuen Denkens. Er gab das Neue Testament im
griechischen Urtext, lateinischer Übersetzung und mit Anmerkungen versehen heraus. Diese
Arbeit diente Luther als Grundlage für seine Bibelübersetzung ins Deutsche. Gedruckt wurde
dieses Werk bei Johann Froben, ebenfalls in Basel.
Allein diese wenigen Hinweise zeigen, wie eng Humanismus, philologische Methode,
Rückbesinnung auf die Antike (=Renaissance), Reformation und bürgerliche (verlegerische)
Interessen miteinander verwoben waren.
Die Erwähnung der Namen Hans Holbein der Jüngere (er kam 1514/15 von Augsburg nach
Basel) und Sebastian Münster ("Cosmographia" 1544) sollen daran erinnern, daß Basel zu
dieser Zeit auch in der bildenden Kunst "Stars" beheimatete. Der Anziehungskraft Basels
erlagen zwei weitere wichtige Männer dieser Zeit: Adam Petri war - wie bereits schon Johann
Amerbach und Johann Froben - aus Franken nach Basel gekommen. 1507 wurde er Mitglied
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