http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-01/0025
Eine Mühle wird Schlichterei
Die Firma Peter Koechlin & Söhne in Lörrach nimmt an Bedeutung immer mehr zu. Der
Anschluß Badens zum Deutschen Zollverein hat ein noch weiteres Aufblühen des Unternehmens
zur Folge. Es zählt zu den reichsten Industriebetrieben in Baden und bringt dem Staate die
meisten Steuern ein.
Erfüllt von großem Optimismus, plant Peter Koechlin. in Zell einen weiteren Textilbetrieb
zu erstellen. Zu diesem Zweck erwirbt er am 2. März 1837 auf dem Gewann Mühlteich die
..Karle"sehe Mühle", welche die Keimzelle der heutigen Zell-Schönau AG war.
Im Grundbuch lesen wir unter anderem: ,JEs hatten den 2. März 1837 die Gantmasse u.
Gläubiger-Ausschuss Michael Thoma, Fridolin Sprich von Zell, Bürgermeister Berger von
Adelsberg und Max Sempfle gen. Josef Kiefer von da und Gantmann Fridolin Karle von Zell
an Herrn Peter Koechlin Vater. Fabrikant von Lörrach, unter Bürgschaft Johann Faller,
Fabrikverwalter von Zell, folgende Liegenschaften an Steigerung verkauft:
1. Eine neu massiv von Stein erbaute Behausung von zwey Stockwerken mit Scheuer und
Stallung unter einem Dach. In der Behausung befindet sich eine geräumige Mühle mit drey
Mahlgängen und einer Rendle (Fruchtputzmaschine). Bei diesem Gebäude, welches rings um
von den dazu gehörigen Gütern begrenzt ist. befindet sich ein eigenthümlicher fliessender
Brunnen (wahrscheinlich der Brunnen neben Portierhaus).
2.2 1/2 Morgen Matten auf der Au neben dem Mühleteich und dem Wiesefluß und Michael
Böhler und dem Pfarrgut.
3. 2 1/2 Viertel Baum- und Grasgarten bei dem Haus, neben dem Mühleteich. Wiesenfluß
vor Müller, Josef Berger. Frz. Jos. Schlachter und Fridolin Sprich.
4. 2 Viertel 62 Ruthen Acker auf der Schwarznau, neben der Landstraße und Bürgermeister
Brugger. Zusammen für die und um die Summe von 10 600 fl. Mit Worten: Zehntausendsechshundert
Gulden."
Die „Karle'sehe Mühle"
Die Karle'sehe Mühle stand in jener Zeit in unmittelbarer Nähe des heutigen Portierhauses
der Zell-Schönau AG. Das Gebäude wurde im Jahre 1820 neu errichtet, nachdem zwei Jahre
zuvor die Zeller Fronmühle, die an derselben Stelle gestanden hatte, beim großen Brand der
Stadt zum Opfer fiel. Das Stadtbild bekam nach dem Brand ein anderes Aussehen. Die „alte
Gasse"', die an der Karle'schen Mühle vorbeiführte, wurde verbreitert: die heutige Teichstraße.
Auch der alte Mühlteich (heute Teil des Gewerbekanals) ist verändert und sein Lauf begradigt
worden. Die Mühle lag mit ihrer Ostwand dicht am Kanal; sie war ca. 22 m lang und 15m breit.
Drei Wasserräder trieben das Mühlwerk an. Die Räder hingen an jener Stelle beim Wasserfall,
wo einige Jahre später die Turbinen ihren Platz erhalten haben.
Peter Koechlin ließ im Jahre 1838 in der Mühle eine mechanische „Baumwollenschlichterey"
einrichten. Es befanden sich darin: 12 Schlichtmaschinen. 4 Spulmaschinen, 6 Zettelmaschinen
im Werte von zusammen 14 400 Gulden. Im Gebäude wohnte zugleich der Aufseher der
Schlichterei. Die Schlichterei diente Koechlin als Zubringerbetrieb für seine Handweberei auf
dem .Aiele"; vermutlich sind außerdem die für ihn noch arbeitenden Hausweber mit den auf
mechanischem Wege hergestellten Webzetteln versorgt worden. Das Büro der beiden Betriebe
- Handweberei auf dem „Aiele" und Schlichterei am Mühlteich - befand sich im Koechlin'schen
Haus an der Wiese, heute Wiesenstraße Nr. 11. Von diesem Hause aus wurden auch die
Koechlin' sehen Fabriken in Schönau, „Lange Fabrik" in der Wiedlegasse am Mühlteich, später
jene in Schönenbuchen, verwaltet. Sie bildeten alle zusammen eine „Produktionseinheit" und
gehörten später Albert Koechlin, von dem noch die Rede sein wird.
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