http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-01/0064
Pfarrer dahier. er starb im Jahre 1805 an den Folgen eines Bruches, den er sich in früheren
Jahren durch einen Sturz vom Pferd zugezogen hatte. Auf ihn folgte ich im Jahre 1805.
Was die Zeit meiner Pastoration hier merkwürdig macht, sind die vielen Kriege, die gegen
die Franzosen geführt wurden, der zweimalige Übergang der österreichischen Truppen über
den Rhein bei Basel, die große Schlacht bei Leipzig etcet.. die zweimalige Eroberung und
Schleifung der Festung Hüningen, die Losreißung Breisgaus von Österreich und die
Übergabe desselben an Baden, die Erhebung Badens zum Großherzogthum, die Gefangennehmung
des wirklichen Papstes Pius, der zweimalige Sturz Napoleons und seine Gefangennehmung
nach der Insel Elba und Helena, die Thronbesteigung Ludwigs in Frankreich, die
Erhebung Zells Schönau und Todtnau zu Städten, so vielerlei Krankheiten, die eine Folge
des Krieges waren. Schon im Jahre 1807 raffte das Fleckfieber die schönsten jungen Leute,
hauptsächlich Jungfrauen hinweg. Im Jahre 1814 brachten fremde Truppen das Nervenfieber
mit, das sich in ganz Deutschland verbreitete. Es war in der ganzen Pfarrei selten ein Haus,
wo nicht ein oder mehrere Kranke lagen. Mehreremal mußte ich und Herr Vikar des Tages
12mal die Kranken versehen. Manchesmal war keiner von uns zu Hause. Wir mußten alle
Vorsicht treffen um nicht angesteckt zu werden. Es starben in diesem Jahre 116 Menschen
meistentheils am Nervenfieber. Dazu ist noch zu rechnen das Hungerjahr von 1816 in 1817
wo der Saum besseren Weines um 100 Fl., der Sack Kernen um 60, auch 70 Fl. gekauft
werden mußte. Allgemeine Suppenanstalten wurden getroffen, um die Armen zu ernähren,
und sie vom Hungertod zu erretten; sogar mußte von der Regierung der Saamen geliefert
werden, damit die Felder wieder angebaut werden konnten. Doch haben wir itzt wieder
bessere und fruchtbarere Jahre zu erwarten. Weil das alte Eis, das sich durch mehrere Jahre
auf den Schneebergen der Schweiz aufhäufte, durch ein lang anhaltendes Tauwetter im Jahre
1817 weggeschafft worden ist, so wurde die Erde wieder fruchtbarer, es gab im Jahre 1818
und 1819 wieder Frucht und Wein genug. In Europa herrscht wieder überall Ruhe und Frieden.
Gott der allerhöchste möchte uns noch lange diesen Frieden schenken, und uns von dem so
großen Übel des Krieges, hauptsächlich aber vor Feuersbrunst bewahren.
Geneigter Leser, dem dieser Beschrieb und Klag vielleicht erst in einigen hundert Jahren zu
Hände kommt, ich bedaure dich herzlich, wenn du die nämliche Klage zu führen hast. Ich
wünsche dir ein besseres Wohlergehen oder doch eine standhafte Geduld im Leiden. Amen.
Vorstehendes ist eine wortgetreue Abschrift der von dem vormaligen Dekan und Pfarrer
FidelKammererzu Zell eigenhändig concipierten Denkschrift, welche in einem Stein
auf der Seite gegen den Pfarrhof nahe dem Nebenaltar eingemauert wurde. Das Concept
dieser Denkschrift wurde in dem Pfarrarchive zu Luttingen, wohin derselbe von hier
befördert wurde, aufgefunden, und von dem Herrn Pfarrverweser daselbst, vorher Pfarrverweser
dahier Namens Joseph Reischbacher. am Sten Juni 1828 dem Unterzeichneten
überschickt.
Zur Schonung des Conceptes, vielleicht auch zur Hinterlegung desselben oder dieser
Abschrift in den Erzbischöflichen Dekanatskasten wurde dasselbe von dem Unterzeichneten
abgeschrieben.
Zell im Wiesethal den 19. Juli 1843
Fr. Xaver Vogelbacher Pfarrer.
Quelle:
Archiv der röm.- kath. Kirche
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