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Durch verschiedene politische Machtverhältnisse um die Mitte des 13. Jahrhunderts und
Entfremdung des in diesem Raum vorhandenen großen Reichsbesitzes kommt es zu
Auseinandersetzungen des Bischofs von Basel mit Rudolf von Habsburg, der im Verlaufe des
Kampfes die Burg Werrach im Jahr 1252 zum ersten Mal und danach 1272 noch einmal
erobert. Damit wird Wehr ein Verwaltungsbezirk der Habsburger und bringt der Herrschaft
zur Burg die hohe Gerichtsbarkeit ein. die bis zur Auflösung des Amtes Wehr im Jahre 1813
bestehen bleibt.
Unterdessen geht die Entwicklung zur Entstehung der Gemeinde im heutigen Sinne weiter.
Noch sehen wir im Jahr 1338 einen Landvogt, der die Hohe Gerichtsbarkeit im Namen des
Landesfürsten als richterlicher Stabhalter vor dem Ortsgericht ausübt9'. Doch allmählich
vollzieht sich der Übergang zum ortseigenen Vogt und damit zur "selbständigen" Gemeinde.
Dieses können wir erstmalig für das Jahr 1369 urkundlich belegen. Es sitzt in diesem Jahr
der Wehrer Vogt Albrecht Lüber in Wehr zu Gericht und fertigt einen Kaufvertrag im Namen
seines Herrn, des Rudolf von Schönau, an10'. Der Vogt gilt nicht nur als Beamter der
Herrschaft, sondern vertritt zugleich die Interessen der ihm anvertrauten Gemeinde oder
Gemeinschaft. Diese Form der Gemeinde besteht im Prinzip bis zur Einführung der
Badischen Gemeindeordnung und des Bürgerrechtsgesetzes im Jahre 1831, die beide am 23.
April 1832 in Kraft treten und in Wehr erst im Sommer eingeführt werden. An Stelle des
Vogtes tritt der Bürgermeister und an die der Geschworenen der Gemeinderat. Bürgermeister
und Gemeinderat werden von jetzt an unmittelbar gewählt. Zum ersten Mal müssen die
Dorfoberen selbständig entscheiden und an den Gemeindegeschäften teilhaben. Sie sind
nicht mehr ausführendes Organ der Herrschaft. Nach 1851 ändert es sich wieder, da die den
Bürgern 1831 gegebenen Rechte beschnitten werden, indem die Gemeinderäte nur indirekt
gewählt werden dürfen. Das Jahr 1870 bringt wieder die alte Gemeindeordnung, es kommt
zur Veränderung des Dreiklassenwahlsystems, und es wird ein größerer Bürgerausschuß
eingesetzt. Es folgt 1890 die Einwohnergemeinde, die im Jahre 1921 von der neuen
Gemeindeordnung abgelöst wird, was völlige Demokratisierung mit sich bringt. Nach dem
kurzen Zwischenspiel durch die nationalsozialistische Diktatur wird wieder zu den Prinzipien
der alten Verfassung zurückgekehrt.
In einem Urteil aus dem Jahre 1338 wird auf "das Recht im Tal" hingewiesen. Es ist die
erste schriftliche Erwähnung eines "Rechtes" im Wehrer Tal. Wir müssen davon ausgehen,
daß zu dieser Zeit das Recht noch nicht schriftlich festgehalten ist. sondern als althergebrachte
Sitte und Brauchtum schon seit jeher aufzufassen ist und ausgeübt wird. Sicher ist,
daß Hans von Schönau (1440-1470) das alte Recht in neuer Form mit einigen wichtigen
Ergänzungen niederschreiben läßt. Diese Talordnung wird wohl als Folge des Bauernkrieges
im Jahre 1557 von Hans Jakob von Schönau erneuert. Wir können davon ausgehen, daß die
Talleute auf ihr altes Recht pochen und erst ein gemeinsames Gespräch oder das Verhalten
der Untertanen die neue Talordnung entstehen läßt. Die "Fallbarkeit" bleibt jedoch in dieser
Ordnung weiter erhalten, wenngleich wohl in abgemilderter Form. Diese Forderung bleibt
trotz vieler Auseinandersetzungen zwischen der Herrschaft zu Wehr und den Untertanen bis
gegen Ende des 18. Jahrhunderts fast unverändert bestehen. Sie verlangt von den Hinterbliebenen
im Herrschaftsbereich "das Beste Haubt Viech, so einen gelassen hat. wo aber nit Viech
hatte, das Best gewandt". Das gilt ebenfalls für Frauen, jedoch nicht für Kinder, wenn sie sich
im Haushalt befinden. Während diese Bestimmung im Säckinger Herrschaftsbereich nicht
so genau genommen wird, achten die Schönauer sehr auf das Befolgen dieser Forderung,1"
obwohl der "Fall" für die Frau dem allgemein geltenden Fallrecht widerspricht12'.
Im Urbar der Herrschaft Wehr von 1626 finden wir weitere interessante Forderungen. Wer
gewillt ist, Bürger im Wehrer Tal zu werden, hat sich zu verpflichten, der Gemeinde einen
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