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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 24
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-02/0026
Auf der modischen Welle der damals entdeckten "original" alpenländischen Musik und
Folklore schwammen, man beachte die Authentizität suggerierende Formulierung, die
"wirklichen Zillerthaler Sänger Veit Rahm und Fräulein Kathi im Nationalkostüm", die am
6. Oktober beim Bahnhofswirt konzertierten W). Sicherlich hatte auch in diesem Falle
Niedermayer die Initiative zur Attraktivitätssteigerung seines Betriebes ergriffen. Exemplarisch
wird hier der Konnex von ökonomischem Interesse (Umsatzsteigerung) und kulturellem
Hebel deutlich. Kultur als Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit und Imagepflege!

Doch nicht nur das Bahnhofsrestaurant bot kulturelle Kost. Auch im Gasthaus Adler fand
1895 ein Konzert auswärtiger Künstler statt. Am 29. September führte der "Schweizerbund
Lörrach" ein Programm auf. das "ernste und heitere Männerchöre" und "komische Szenen"
enthielt. Der Auftritt war vom Vorstand der Gruppe organisiert worden, was aus der Anzeige
hervorgeht15).

Die kulturelle Rolle der Wirte ist auch nach der Jahrhundertwende bemerkenswert. Zu
einem Konzert des Ensembles "Meier u. Consorten aus Lörrach" am 13. Juli 1902 lud per
Anzeige der Wirt des Gasthauses Bärenfels. Theodor Gut, die Wehrer Bevölkerung ein16).
Auch im Adler fanden in diesem Jahr Konzerte auswärtiger Ensembles statt. Die Musikkapelle
des 22. Dragonerregiments aus Mülhausen unter der Leitung des Dirigenten Klaus
spielte kernige Blasmusik im "großen schattigen Wirtschaftsgarten des Hotels zum 'Adler'"
und "bot dem zahlreichen Publikum einen ganz seltenen Kunstgenuß" l7). Schließlich stand
die alpenländische Folklore noch immer hoch im Kurs. Dies beweist ein Konzert des Krügel-
Zitterensembles, das aus 3 Frauen und 2 Männern bestand. Für reservierte Plätze nahm man
80 und für nicht reservierte 50 Pfennige Eintritt 1Sl. Das Konzert, das den populären
Musikgeschmack traf, war "ziemlich gut besucht". Der versierte Rezensent hörte sofort
heraus, "daß man es mit einer Gesellschaft zu thun hatte, welche bessere, konservatorisch
geprüfte Kräfte, besitzt 19'". Wichtig war ihm, daß sich die Künstler "als vorzügliche
Humoristen" offenbarten und man auseinander ging "mit dem Bewußtsein, wieder einmal
einige vergnügte Stunden seltener Art verlebt zu haben"20).

Der Gipfelpunkt professioneller Kulturangebote war ohne Zweifel das Theatergastspiel
einer bemerkenswerten Schauspielertruppe im Saal des Gasthofs Krone. Die Theatergesellschaft
"Direktion G. Faßnacht" gab Mitte August 1902 fünf Vorstellungen in Wehr, um dann
ihre Tätigkeit im benachbarten Zell fortzusetzen21'. Auf dem Programm stand die Aufführung
eines Passionsspiels ä la Oberammergau, ein "Ritterschauspiel mit Gesang in 6 Akten"
von A. Reubach, nämlich "Das Leiden und Dulden der tugendsamen Gräfin 'Genovefa'" 23\
und "Das Käthchen von Heilbronn"24). Der Eintritt zu den Stücken, die in ihrer Thematik und
historisierenden Aufführungspraxis dem Geschmack der damaligen Zeit entsprachen, betrug
im Sperrsitz 1 Mark, im l. Rang 57, im 2. Rang 50 und im Stehplatz 30 Pfennige.

Besonders die Aufführung der Passion durch die 20 Mitglieder umfassende Faßnacht-
Truppe ist von theatergeschichtlichem Interesse. So führten in den Jahren 1921/22 die Brüder
Adolph und Georg Faßnacht in Freiburg ein Passionsspiel auf und knüpften damit an eine
Tradition an. die seit 1780 unterbrochen war25'. Die umtriebigen Theaterunternehmer gingen
mit ihrer Produktion sogar auf eine USA-Tournee und führten nach dem 2. Weltkrieg (1946)
noch einmal ein Passionsspiel im zerbombten Freiburg auf26'.

Was nun die Wehrer Aufführung betrifft, so entsprach das in der Anzeige gemachte
werbewirksame Versprechen, "nur feine, elegante Kostüme. Requisiten u. Dekoration27)"
zu präsentieren, der szenischen Realität. Der Rezensent notierte: "Die einzelnen Rollen sind
gut vertreten, die Kostüme reich und geschichtlich treu, die Aufführung würdevoll"28>.
Das bedeutet, daß die Kostüme, bei diesen Theaterunternehmen oftmals eine Schwachstelle,
keinen Grund zur Beanstandung gaben.

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