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Nach der Tradition, wie sich solche vorzugsweise in dem eine halbe Stunde von der Burg
entfernten Dorfe Britzingen bis auf die neueste Zeit erhalten hat. besaßen die Burgbewohner
einen großen, kräftigen Hofhund, der dazu abgerichtet war. täglich mit einem Korbe und
schriftlichem Auftrag zu dem Metzger nach Britzingen zu gehen, um dort das Fleisch für die
Küche seines Herrn zu holen.
Das Ausbleiben des Hundes fiel den Leuten in Britzingen auf. man befürchtete ein Unglück
und ging am dritten Tage zur Burg hinauf, um nachzusehen.
Das Tor war verschlossen, das Klopfen an demselben blieb erfolglos, niemand ließ sich
blicken, unheimliche Stille herrschte im Innern der Burg. Lange hatten die Leute vergeblich
geklopft und gew artet, bis sie endlich gew altsam sich den Eingang öffneten, aber Angst und
Entsetzen ergriff sie bei dem Anblicke, der sich ihnen darbot.
Über das dort Wahrgenommene findet sich in dem von Vogt Kaltenbach geführten Lagerbuch.
S. 207. folgender Eintrag:
"Ungefähr da man zählet 1540 ist Christoph von Neuenfels mit seiner Hausfrau, einer
Tochter, zwo Mägden und übrigem Gesinde zusammen 8 Personen, bei Nacht im Schlosse
Neuenfels jämmerlich ermordet und erst am dritten Tag gefunden worden. Sie sind zu
Britzingen begraben. Man hat niemalen erfahren, durch w en der Mord geschehen. Seither ist
das Haus nicht mehr bewohnt worden, sondern ein Stück nach dem andern eingefallen und
abgegangen, wie es vor Augen ist. Es ist w ohl hoch zu verw undern. w ie ein solch starkes Gebäu
in einer so kurzen Zeit also verfallen und in solchen Ruin gerathen. da doch nichts davon
abgebrochen wird."
Die Jahreszahl 1540 ist nur ungefähr angegeben, denn es wurde das Lagerbuch erst 1620 angefangen
und der Mord ohne Zweifel 1541 verübt. Aus diesem Jahre findet sich noch in einer Urkunde der Name
des Herrn von Neuenfels aufgeführt, w ährend dies später nicht mehr der Fall ist
In dem waldigen Abhänge des Berges unterhalb der Burgruine sieht man den Schacht eines
längst verlassenen Bergwerkes, aus dem ehemals, w ie die Sage geht. Silber gewonnen wurde.
Der Eingang eines zu Tage gehenden Stollens ist beinahe ganz verschüttet, und nur mit Mühe
vermag man. auf dem Boden kriechend, in das Innere des langen Ganges zu kommen.
Hier w ar es. wo einige Schulknaben, um Mineralien und Erze zu suchen, es unternahmen,
in die Höhle zu schlüpfen. Sie waren mit Feuerzeug und Licht versehen, um das Innere zu
erforschen, und schon ziemlich weit vorwärts gekommen, als sie beim Scheine des Lichtes mit
Schrecken eine Leiche vor sich liegen sahen.
Von Furcht erfaßt, flüchteten sie eiligst aus dem unheimlichen Orte ins Freie und verbreiteten
im Dorfe die Kunde von ihrer Entdeckung.
Dies war die Veranlassung zu einer gerichtlichen Untersuchung, die ich mit den Gerichtsärzten
vorzunehmen hatte.
Am Eingange des Stollens angekommen, erkannten wir die Unmöglichkeit für uns. die
Inspektion an der Stelle vorzunehmen, wo die Leiche liegen sollte, und ließen wir den
Mundarzneidiener nach seinem Anerbieten mit einem langen Seile und nachgeschlepptem
Tannenreisig, auf w elches die Leiche gelegt und befestigt, herausgezogen w erden sollte, in das
Innere des Stollens eindringen. Es geschah wie angeordnet, und auf den Tannenästen liegend
erblickten wir ein wohlerhaltenes Gerippe, noch teilweise mit halbvermoderten Kleidungsstücken
bedeckt. Keine Verletzung w ar an demselben wahrzunehmen, und Stoff und Form der
Kleider ließen auf ein hohes Alter und auch darauf schließen, daß sie einem Manne aus den
höheren Ständen angehört haben mochten.
Wie lange dieser Troglodyt (Höhlenbewohner) in dem dunklen Räume geruht hat. vermochten
die Gerichtsärzte nicht zu bestimmen, es konnten, wie sie meinten, einige Jahrhunderte
dahingegangen sein, während welcher kalkgeschwängerte Tropfen die Gebeine und noch
vorhandenen Kleider mit einer die weitere Verwesung hindernden Decke überzogen.
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