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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 82
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-02/0084
Sie sprach deutsch, ohne den Elsässer oder Schweizer-Dialekt, auf französische Worte gab
sie nie Antwort, und sonderbar, so viel Unzusammenhängendes sie auch sprach, nie nannte sie
den Namen eines Ortes oder einer Person oder eines Gegenstandes, der auf ihre früheren
Verhältnisse oder ihre Beschäftigung in solchen hätte Bezug haben können.

Sie war etwa 22 Jahre alt, mittelgroß, wohlgeformt, hatte ein freundliches Gesicht mit
regelmäßigen Zügen, dunkelbraunen Augen, von starken Wimpern beschattet, feingeschnittene
Lippen und schöne Zähne. Ihre kleinen, zierlichen Hände konnten nie mit harter Arbeit
sich beschäftigt haben. Die Haare waren kurz am Kopf abgeschnitten, und was ebenfalls
auffallend erschien, ihre blendend weiße Haut konnte unmöglich längere Zeit bedeckt gewesen
sein mit den aus grober Leinwand und Wolle gefertigten, schmutzigen und zerrissenen
Kleidungsstücken, mit denen sie bekleidet gewesen war. Als man sie fand, war sie barfuß und
Schultern und Hals unbedeckt.

Nachdem ich lange zugewartet, meine allseitig eingezogenen Erkundigungen überall nur
dahin beantwortet waren, daß man keinen Aufschluß in der Sache geben könne, setzte ich mich
mit der Verwaltung des Irrenhauses in Kommunikation, wohin die Kranke hiernach verbracht
wurde.

Ich habe von ihr nichts mehr gehört, da ich zwei Jahre später Müllheim verließ.

Daß hier ein beabsichtigter Mord vorlag, kann kaum in Zweifel gezogen werden, aber
auffallend bleibt es. daß - Sophie die Gefundene - wie sie in den Akten genannt wurde, nirgends
vermißt ward. Kam sie vielleicht aus einem französischen Nonnenkloster - wie ein solches z.B.
in Ottmarsheim in der Nähe des Rheins sich damals befand, was auch ihr kurz abgeschnittenes
Haar vermuten ließ - oder war sie ihrer Familie zur Last gewesen und nach langer heimlicher
Gefangenschaft dem Tode überliefert worden, indem man sie gebunden auf der Kiesbank
aussetzte, wo sie in kurzer Zeit von dem überströmenden Wasser überflutet, rheinabwärts. weit
von dem Schauplatze des Verbrechens, getrieben werden mußte?

Der Schleier dieses geheimnisvollen Verbrechens wird wohl nie gelüftet werden.

Doppelmord in Müllheini

Der bedeutendste Kriminalfall während meiner Dienstperiode bei dem Amte Müllheim
betraf einen Doppelmord, dessen Urheber durch einen sonderbaren Zufall alsbald entdeckt
wurde.

Buchbinder Willin war ein geachteter Mann, er wurde zum Obmann des Bürgerausschusses
gewählt, seine vielfachen Erfahrungen, die er auf weiten Reisen als wandernder Handwerksbursche
gemacht, sowie seine Bekanntschaft mit den besten literarischen Erzeugnissen seiner
Zeit, gaben ihm ein überwiegendes Ansehen unter seinen Mitbürgern, zumal man ihn auch in
guten Vermögensverhältnissen glaubte. Seine Haushaltung unter der Leitung einer braven Frau
schien wohlgeordnet, und seine bereits herangewachsenen Kinder waren gut erzogen.

'Auf einen solchen Mann konnte wohl nicht der Verdacht eines Mordes fallen, einer solchen
Tat konnte man sich von ihm nicht versehen.

Eines Morgens, im Winter, brachte mir Willin einige Bücher, die ich ihm zum Einbinden
gegeben, und nachdem ich ihm den geforderten Betrag bezahlt hatte, sah ich am Fenster sitzend
dem Manne, der von der Villa, die ich bewohnte, der Stadt zuging, unwillkürlich nach, weil mir
seine sonderbar geformte Kappe auffiel. Sie hatte nichts Ungewöhnliches, aber wahrscheinlich
in Folge einer Angewohnheit, mit der Hand über den Kopf zu fahren, hing sie einer Kapuze
ähnlich rückwärts gestrichen gegen den Nacken herunter.

Ich hatte den Buchbinder im Laufe des Tages vergessen und nach beendigten Amtsgeschäften
von der Kanzlei in das Lesezimmer mich begeben, wo ich mit einigen der anwesenden Herrn

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