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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 151
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-02/0153
Wie war die Stellung der Frau nach dem Stadtrecht in Neuenburg? Die Städterin definierte
sich in Abgrenzung zur Dorfbewohnerin. Während die Dorfbewohnerin unfrei war. blieb die
Städterin, ebenso wie ihr Ehemann, frei von herrschaftlichen Bindungen. Der wichtigste Satz
im Stadtrecht in diesem Zusammenhang lautet: "Jede Ehefrau ist dem Mann gleich". Der Mann
ist der Erbe der Frau und umgekehrt. Dies war für die damalige Zeit eine wichtige Abgrenzung
zum Leben auf dem Dorf. Aber dieser Passus bezog sich nur auf das Erbrecht. Damals konnte
eine Frau zwar das Vermögen ihres Mannes erben, aber nicht ohne Vormund frei darüber
verfügen.

Auch die Stellung der Kinder in der mittelalterlichen Gesellschaft der Stadt Neuenburg wird
mit Hilfe des Stadtrechts deutlich. Kinder unter 12 Jahren wurden wegen ihrer Streiche nicht
zur Rechenschaft gezogen. Ein Minderjähriger konnte vom Eigentum der Eltern nichts
verkaufen. Tat er es doch, mußte es an die Eltern zurückgegeben werden.

Verlassen wir nun den privatrechtlichen Bereich und wenden uns der städtischen Wirtschaft
Neuenbürgs zu. Denn im Stadtrecht von 1292 finden sich auch Paragraphen, die das wirtschaftliche
Leben der Neuenburger regeln und die Wirtschaftskraft der Stadt steigern sollten.
Damals wie heute diente eine florierende Wirtschaft infolge der damit verbundenen Steuern.
Abgaben und Arbeitsplätze auch dem Wohl der Kommune. Zwischen der Stadt Breisach und
dem Dorf Rhein weder durfte nur eine Fähnerbindung bei Neuenburg über den Rhein bestehen.
So sicherte sich die Stadt Zolleinnahmen von den Reisenden. Der Transitverkehr wurde bewußt
in die Stadt gezogen und bot zahlreichen Menschen Lebensunterhalt. Wirte. Wagner. Fuhrleute
, aber auch die Nahrungsmittel produzierenden Gewerbe wie Bäcker und Metzger
profitierten von einer großen Zahl von Durchreisenden. Diese waren auch diversen Vergnügungen
nicht abgeneigt, welche im sogenannten Haus mit dem roten Dach angeboten wurden.

Innerhalb einer Meile durfte außer in Neuenburg kein zweiter Wochenmarkt stattfinden. So
wurden die Bauern der umliegenden Dörfer zum Besuch des Neuenburger Marktes gezwungen
und kurbelten die städtische Wirtschaft an. Auch flössen dem städtischen Haushalt aus den
Marktgeschäften lukrative Abgaben zu.

Schon damals waren die Marktgewichte geeicht. Diese Maße standen unter Kontrolle des
städtischen Ratsregiments und wurden von zwei ausgesuchten Bürgern verwaltet. Wir sehen
hier erste Ansätze einer Verwaltung im mittelalterlichen Neuenburg. Natürlich bestrafte man
jeden, dem die Verwendung von manipulierten Gewichten nachgewiesen werden konnte. Im
Stadtrecht lesen wir hierzu: "Wer ein zu kleines oder zu großes Gewicht bei Kauf und Verkauf
gebraucht, begeht damit Diebstahl". Die ausdrückliche Hervorhebung dieses Vergehens im
Stadtrecht zeigt, daß derartige Manipulationen damals offensichtlich häufig waren.

Vor 700 Jahren herrschte in Neuenburg keine Demokratie. Man kann wohl eher von einer
Oligarchie sprechen, also vom politischen Einfluß einiger weniger führender Familien niederadliger
Herkunft. Sowohl der König als Stadtherr und vor allem diese städtische Führungsschicht
hatten natürlich große Furcht vor einer Revolution. Diese Angst war damals nicht
unbegründet. Es war eine neue Gesellschaftsschicht zu Reichtum gekommen, die am politischen
Leben partizipieren und die Geschicke der eigenen Stadt mitbestimmen wollte. Zum
einen waren dies Kaufleute, zum anderen Handwerker. Mit kaufmännischem Wagemut, es sind
Neuenburger Handelsreisende zur Frankfurter Messe nachzuweisen, und handwerklichem
Fleiß hatten sie sich emporgearbeitet. Daß sie auch Anteil am politischen Geschick der Stadt
suchten, ist zu verstehen. Die städtische, adlige Führungsschicht stand dieser Emanzipationsbewegung
natürlich abwehrend gegenüber. Im Stadtrecht wurde nun ausdrücklich zur Vermeidung
von innerstädtischen, bewaffneten Aufständen folgendes festgelegt: "Wenn infolge
eines Ereignisses in der Stadt ein Aufruhr entstanden ist. so verliert jeder, der sich bewaffnet
dahin begibt, die Gnade des Stadtheim." Er machte sich also strafbar. Nur bei Annäherung eines
Feindes duldete man waffentragende Bürger. Ja, es wurde in einem solchen Fall auch die

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